: Auch Birnen können lachen
KUNSTEREIGNIS Erstmals in Deutschland erfährt der dänische Künstler jüdischer Herkunft Tal R. eine umfassende Würdigung. Die Werkschau „You laugh an ugly laugh“ in der Kieler Kunsthalle ist witzig, spritzig und bunt durcheinander gewürfelt
VON FRANK KEIL
Auf nach Kiel! Auf zur dortigen Kunsthalle, die dieser Tage dem dänischen Künstler Tal R. als erstes Haus in Deutschland mit „You laugh an ugly laugh“ eine umfassende Werkschau widmet. Zu sehen ist eine der vielleicht frischesten Ausstellungen aktueller Kunst: Stoffarbeiten aus Second-hand-Materialien und wuchtige Malerei, Babuschka-Figuren aus Sperrholz und Filme, dazu Zeichnungen und bearbeitete Fotografien. Wie von leichter Hand dahin gewürfelt, addieren sie sich Raum für Raum zu einer bunten Landschaft, in der die Besucher sich eigene Wege anlegen müssen.
„Kolbojnik“ – Abfalleimer – nennt Tal R. selbst seine Werke, ein Wort aus dem Hebräischen. „Vordergründig gesehen ist Tal R. ein Schnellmaler, aber er ist alles andere als ein Malerschwein“, sagt Dirk Luckow, Leiter der Kieler Kunsthalle mit Blick auf Tal R.s gelegentlicher Zusammenarbeit mit Jonathan Meese. Mit Blick aber auch auf das gut zehn Meter lange Wandgemälde, dass Tal R. zusammen mit zwei seiner Studenten eigens für diese Ausstellung gefertigt hat: an einem Abend und einer halben Nacht. Schablonenhafte Figuren, die auf eine Art Schafott zugehen: Typen, wie der Bürger mit Zylinder, aber auch der Freak. Auch Luckow ist dabei, hochgeschossen und ein wenig würdevoll trägt er einen flatternden Vogel vor sich her, als wolle er etwas stellvertretend opfern, um nicht selbst seinen Kopf verlieren zu müssen.
Luckow sieht Tal R. in einer Reihe mit den wichtigen dänischen Malern der Moderne, denen sein Haus in den letzten Jahren wichtige Ausstellungen gewidmet hat: 2003 Asgar Jorn und 2007 Per Kirkeby. Geboren wird Tal R. 1967 als Tal Rosenzweig in Tel Aviv. Seine Mutter ist Dänin, sie konvertiert zum Judentum, doch kaum ist er ein Jahr alt, da zieht die kleine Familie nach Kopenhagen, wo er aufwächst, später Kunst studiert und sich zu einem heute immer wichtiger werdenden Künstler mausert. Einflüsse sind allerlei zu erkennen: Picasso und Malewitsch, Jean-Michel Basquiat, Dieter Roth und Kurt Schwitters und natürlich die Cobra-Künstler und immer wieder auch Paul Klee. Er sagt: „Es gibt in den Werken jede Menge Bezüge zu meiner jüdischen Herkunft, aber die arbeiten im Inneren der Dinge und sind nicht einfach so abzuleiten.“
Überhaupt ist das mit dem Erklären und Interpretieren und Deuten so eine Sache, und außerdem ist er kein Künstler, der sich vornimmt: Jetzt entwickele ich eine Skulptur, jetzt mache ich eine Serie von Malerei. Der dann dazu Entwürfe zeichnet, sie verwirft, neue Ideen entwickelt, zufrieden ist, also Lehm kauft und sich an die Arbeit macht („Sie kennen die Geschichte vom Golem, der am Ende alles unter sich begräbt, oder?“, sagt er).
Eine Idee, er selbst als ausführender Künstler und damit das Werk als Ergebnis müssen bei ihm dagegen auf eine fast organische Weise zueinander finden. In diesem Sinne braucht es manchmal Jahre, bis eine vage, kaum fassbare Idee sich durchsetzt: „Sie segelt in mir herum. Sie ist auf der Suche nach einem Körper.“ So wie in Dublin, wo er eine Zeit lang arbeitete und jeden Morgen an einem Gemüsegeschäft vorbeikam. Eines Tages sah er dort eine unnatürlich, fast künstlich wirkende Birne, er wunderte sich – und er kaufte sie. Er nahm sie mit in sein Hotelzimmer, legte sie auf das Nachttischchen neben dem Bett. Doch – wie das so geht – er fand nicht den rechten Zeitpunkt sie zu essen. Mal war es einfach zu früh für eine Birne, mal zu spät. Nun – es wurde tagsüber in dem Zimmer sehr warm, die Birne wirkte nach drei, vier Tagen etwas mitgenommen, sie sah nicht mehr sonderlich essbar aus. Tal R. schaut die Birne an, die Birne schaut Tal R. an – und er nimmt einen Stift und piekst in die Birne hinein. Einmal, zweimal, mehrmals. „Und plötzlich hatte ich die Idee für eine Serie von Skulpturen, die mich die nächsten anderthalb Jahre beschäftigen würde“, sagt er.
Da sind die Kürbisse: durchlöchert, in Bronze gegossen, stehen sie auf einem Sockel und trotzen einer allzu bedeutungsschwangeren Interpretation. Und wenn man mag, kann man seine Kürbisse, kann man seine Kohlrabistrünke, die sich später dazu gesellten, lachen hören.
Die Ausstellung „You laugh an ugly laugh“ ist in der Kunsthalle Kiel noch bis zum 7. 6. 2009 zu sehen