Europa-Gericht durchforstet Firmensteuern

Ziel ist die Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Unternehmen. 100 deutsche Normen fragwürdig

FREIBURG taz ■ Die deutschen Finanzpolitiker haben Angst vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das EU-Gericht achtet derzeit konsequent auf die steuerliche Gleichbehandlung von Unternehmen aus Deutschland und anderen EU-Staaten. Drei Urteile könnten den deutschen Fiskus Milliarden Euro kosten.

Der Fall Lasteyrie de Saillant: Im März erklärte der EuGH die belgische Wegzugsteuer auf Unternehmensbeteiligung für unzulässig. Auch in Deutschland müssen stille Reserven beim Umzug in einen anderen Staat aufgelöst und versteuert werden. Die EU-Kommission hat dies bereits beanstandet.

Der Fall Manninen: Im September entschied der EuGH, dass finnischen Aktionären die Steuer anteilig zu erstatten ist, die ihre schwedische AG an den schwedischen Fiskus gezahlt hat. Eine ähnliche Rechtslage bestand in Deutschland bis zur Einführung des Halbeinkünfteverfahrens im Jahr 2000.

Der Fall Marks & Spencer: Für 2006 wird ein Urteil erwartet, das es englischen Unternehmen erlaubt, ihre eigenen Gewinne mit den Verlusten ihrer Auslandstöchter zu verrechnen. Auch in Deutschland ist die Verlustverrechnung bisher nur für Inlandstöchter möglich. Früher oder später werden diese Entscheidungen auch den deutschen Fiskus betreffen. Dann verringern sich nicht nur zukünftige Steuereinnahmen, vielmehr muss die neue Rechtslage auch bei allen noch nicht abgeschlossenen Steuerverfahren berücksichtigt werden. Durch eine Änderung von Paragraf 175 der Abgabenordnung verhinderte der Bundestag im Oktober immerhin, dass auch rechtskräftige Steuerbescheide mit Blick auf die EuGH-Urteile geändert werden müssen. Nach Expertenschätzung verstoßen rund 100 deutsche Steuernormen gegen Europarecht. CHR