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Archiv-Artikel

Somalia, das vergessene Krisengebiet, braucht internationale Hilfe

UNO sucht 13 Millionen Dollar Soforthilfe, aber es gibt in Somalia keine Regierung als Partner. Die Instabilität im Land erschwert Erfassung von Flutopfern und Hilfe für Überlebende

BERLIN taz ■ Somalia, das einzige Land der Welt ohne Zentralregierung, ist das vergessene Opfer der Flutkatastrophe im Indischen Ozean. Bis zu 300 Tote forderte die Flutwelle vom 26. Dezember, schätzen lokale Behörden. Gestern bat die UNO um 13,1 Millionen US-Dollar (9,8 Millionen Euro) Soforthilfe.

„Der Bedarf könnte noch steigen, wenn wir Zugang zu abgelegenen Regionen erhalten, die uns derzeit wegen fehlender Sicherheitsgarantien oder zerstörter Infrastruktur versperrt sind“, sagte eine Sprecherin der UN-Hilfeagentur für Somalia. Ein kompletter Hilfsappell könnte sich auf bis zu 40 Millionen Dollar belaufen. Die UNO hätten den Schaden nicht aus der Luft begutachten können, weil ein Beschuss mit Flugabwehrraketen zu befürchten sei. Im Zentrum Somalias finden derzeit heftige Kämpfe zwischen Milizen statt.

Die Flutwelle hat vor allem den Nordosten Somalias getroffen. Die Region tagt am weitesten nach Osten in den Indischen Ozean hinein und hat seit 1998 als „Puntland“ eine eigene Regierung. Die Puntland-Regierung gab am Dienstag die Zahl der Flutopfer mit 298 an. Die meisten sollen Fischer gewesen sein, die mit kleinen Booten auf See waren. Ein Mitarbeiter des Roten Halbmondes berichtete zudem, dass das Wasser sich zunächst zurückgezogen habe und dabei viele Hummer auf den Sand gespült habe. Als die Menschen an den Strand liefen, um die Beute aufzusammeln, sei die Welle gekommen und habe sie weggerissen.

Nach Angaben des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) wurden in Puntland 18.000 Haushalte zerstört, weil die Menschen dort in der laufenden Fischereisaison traditionell Übergangssiedlungen in Küstennähe errichten. Sie benötigten Unterkünfte, Wasser, Lebensmittel und Medikamente, hieß es in einem Lagebericht vom Montag. Außerdem seien alle Brunnen mit Sand verschüttet und als Wasserreserven verschmutzt. In den Distrikten Jeriban und Eyl seien 1.000 Häuser und 1.200 Boote zerstört worden. Die Katastrophe kommt, während Puntland sich gerade von einer Dürre erholt.

Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat bisher 198 Tonnen Lebensmittelhilfe verteilt, 79 weitere sind unterwegs. Benötigt werden laut WFP 2.700 Tonnen. Die US-Regierung hat 500.000 Dollar für Somalia bereitgestellt, China 100.000.

Puntlands Gründer Abdullahi Yusuf ist seit Oktober 2004 Präsident der somalischen Interimsregierung, die in Kenias Hauptstadt Nairobi residiert und sich aus Sicherheitsgründen bis heute nicht nach Somalia traut. Das erschwere Hilfe, warnte Kenias Minister für regionale Zusammenarbeit, John Arap Koech: „Es ist schwer, der somalischen Regierung zu helfen, wenn sie sich in Kenia aufhält.“

DOMINIC JOHNSON