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Archiv-Artikel

Kita-Anspruch hilft gegen Armut

ARMUTSATLAS Hamburg feiert Rückgang der Armutsquote und führt das auf gute Kita-Politik zurück. Schleswig-Holstein hat die wenigsten, Mecklenburg die meisten Armen

In Mecklenburg-Vorpommern lebt jede zweite alleinerziehende Mutter in Armut

VON KAIJA KUTTER

Armut hat seit Montag eine Landkarte. Der Paritätische Wohlfahrtsverband und das Statistische Bundesamt publizierten zeitgleich einen „Armutsatlas“ und regionalisierte Daten für ganz Deutschland. Für Hamburgs CDU-Sozialsenator Dietrich Wersich Grund zur Freunde. Denn die Armutsquote für die Hansestadt, so ging aus dem Material hervor, war von 2005 bis 2007 von 15,7 auf 14,1 Prozent um etwa ein Zehntel gesunken. „Armut in Hamburg rückläufig“, titelte er eine Pressemeldung. Die Zahlen zeigten, dass die CDU-Sozialpolitik „erfolgreich“ sei.

Ein Blick auf andere Nordländer relativiert den Erfolg. Bremen etwa, von Armut noch viel stärker betroffen, schaffte im selben Zeitraum einen Rückgang um noch mehr Punkte von 22,3 auf 19,1 Prozent. Und Schleswig-Holstein senkte besagte Quote derer, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens haben, von 13,3 auf 12,5 Prozent. Nur in den übrigen beiden Nordländern blieb die Armutsquote konstant: In Niedersachsen bei 15,5, in Mecklenburg-Vorpommern bei dramatischen 24 Prozent.

„Die Politik kann sich den Rückgang nicht auf ihre Fahne schreiben“, sagt Christian Böhme vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg. Die Quote sei zwischen 2005 und 2007 wegen des Aufschwungs fast überall zurückgegangen. Die Daten, die 2007 über Mikrozensus erhoben wurden, sind vergleichsweise alt und beziehen die Krise nicht ein.

Und doch lehrt der Blick in die Statistik, dass Hamburg etwas besser macht. So ist die Zahl der allein erziehenden Eltern, die von Armut bedroht sind, mit 29,8 Prozent zwar hoch, weist aber für diese Personengruppe neben Berlin (28,6 Prozent) die niedrigste Armutsquote aller Bundesländer auf. Zum Vergleich: in Schleswig-Holstein leben 37,7 Prozent der allein Erziehenden unter der Armutsgrenze, in Bremen 42,4, in Niedersachsen 42,6 und in Mecklenburg-Vorpommern sogar 51,7 Prozent.

Eine Erklärung liegt in der Kita-Politik. Allein Erziehende, die bei der Geburt ihres Kindes einen Job haben, müssen nicht zwischen Kind und Beruf wählen, weil es in Hamburg einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem nullten Lebensjahr gibt.

Allerdings ist Hamburg das Land mit der höchsten Wirtschaftsleistung pro Kopf. Da sei es „kein Ruhmesblatt“, wenn es sich bei der Armut „im Mittelfeld“ bewege, mahnte Diakonie-Pastorin Annegrethe Stoltenberg. „Wir haben gerade bei gering qualifizierten Allein Erziehenden und Migranten ein großes Problem“, mahnt auch der SPD-Sozialpolitiker Dirk Kienscherf, der einen Armutsbericht mit detaillierter Analyse fordert.

Beispielweise sind Kinder eben doch ein Armutsrisiko. So sind Familien mit drei oder mehr Kindern in allen Nordländern doppelt so häufig von Armut betroffen wie Familien mit einem oder zwei Kindern. Auch liegt der Anteil der armen Kinder in allen Nordländern über 20 Prozent. Einzig Schleswig-Holstein bildet mit 15,6 Prozent die Ausnahme. Das dortige Sozialministerium wollte kein Selbstlob abgeben. „Das muss erst geprüft werden“, sagte ein Sprecher.

Deutliche Kritik muss sich dagegen Niedersachsen gefallen lassen, wo es eine große Schere in der Armutsquote gibt. Sie reicht von 12,3 Prozent in der Südheide bis 20,3 Prozent in Ostfriesland. „Da liegen Welten dazwischen“, sagt Michael Weber vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Niedersachsen. Die Verbände forderten für den Flächenstaat schon lange einen Armutsbericht, in dem eine Bestandaufnahme gemacht und nach Instrumenten zur Armutsbekämpfung gesucht wird. „Das“, sagt Weber, „hat das Land verschlafen“.