: Private Details von Bewerbern erfragt
DATENSCHUTZ Die Kreisverwaltung Schleswig-Flensburg gab BewerberInnen Fragebögen zu deren gesundheitlichen und emotionalen Zustand. Auch Enthebung der ärztlichen Schweigepflicht wurde erwartet
Nach Paragraph 28 des Bundesdatenschutzgesetz dürfen personenbezogene Daten für Geschäftszwecke nur unter eng definierten Voraussetzungen erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Zulässig ist das „wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses mit dem Betroffenen dient“.
■ Das gilt auch „so weit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt“.
■ Für Ärzte gilt darüber hinaus die ärztliche Schweigepflicht nach Paragraph 203 des Strafgesetzbuches und Paragraph 9 der Musterberufsordnung. Laut Bundesärztekammer muss der Arzt beim Umgang mit Daten das Persönlichkeitsrecht des Patienten beachten, das Patientengeheimnis wahren und dem Patienten Einsicht in objektive Teile der ärztlichen Aufzeichnungen gewähren.
VON GERNOT KNÖDLER
Die Welle der Datenschutzskandale hat jetzt die erste Behörde erreicht. Die Kreisverwaltung Schleswig-Flensburg befragte BewerberInnen in einem Einstellungstest über ihren Gesundheitszustand. Nach Einschätzung von Datenschützern ist das rechtswidrig.
Das Vorgehen des Landratsamtes fügt sich ein in eine Reihe skandalträchtiger Vorfälle, vor allem in Unternehmen. Unter anderem waren bei der Discounter-Kette Lidl Fragebögen gefunden worden, in denen die Beschäftigten Auskunft über ihre Krankheiten geben mussten. Kürzlich wurde außerdem bekannt, dass die Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) sich nicht mehr mit einem Attest zufrieden gibt, wenn Studierende einer Prüfung fernbleiben wollen: Sie verlangt, dass die Studierenden ihre Ärzte von der Verschwiegenheitspflicht entbinden, um Genaueres über die Krankheit zu erfahren.
Der Landkreis Schleswig-Flensburg forderte ebenfalls eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht. Außerdem verlangte er in einem Bewerbungsfragebogen detailliert Auskunft über gesundheitliche und emotionale Probleme.
Landrat Bogislav-Tessen von Gerlach ordnete das Vorgehen in den üblichen Prozess bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst ein. Amtsärzte müssten jeden Bewerber auf seine Eignung untersuchen. Sollten sie eine Herzinsuffizienz feststellen, sei es für sie wichtig, beim Hausarzt nachfragen zu können, wie weit die Rehabilitation des Patienten gediehen sei. Die Informationen würden aber nur von Arzt zu Arzt weitergegeben. In den Personalakten lande nur das Ergebnis der Untersuchung.
Von Gerlach räumte ein, dass der detaillierte Fragebogen zum Gesundheitszustand problematisch sei, „weil er schriftlich in Details etwas dokumentiere, das nicht für jeden Mitarbeiter von Belang ist“. Hier hätten alle Fachärzte des Gesundheitsdienstes ihre Fragen zusammengetragen, um die Anamnese zu erleichtern.
Der Fragebogen „sei gut gemeint, aber schlecht gemacht“, sagte von Gerlach. Die Antworten seien außerhalb des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient dokumentiert worden und hätten datenschutzrechtlich geprüft werden müssen. Sobald ihm die Probleme bekannt geworden seien, habe er den Fragebogen aus dem Verkehr gezogen, sagte von Gerlach.
Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert bezeichnete den Fragebogen als nicht akzeptabel. Er „gehe weit über das hinaus, was erforderlich und mit dem Datenschutzrecht vereinbar wäre“. Der Arbeitgeber dürfe zwar alles abfragen, was für eine konkrete Tätigkeit relevant sein könne, die Bewertung aber müsse dem Arzt überlassen bleiben. „Die Befunddaten gehen den Arbeitgeber nichts an“, sagte Weichert.
Der bremische Datenschutzbeauftragte Sven Holst nennt als Beispiel für eine zulässige Abfrage den Sehtest für einen Busfahrer. Gesundheitliche Daten dürften nur unter strengen Voraussetzungen erhoben werden. Wenn jemand im Bewerbungsverfahren einwillige, sie preiszugeben, sei das nicht wirksam, weil das nicht auf der freiwilligen Entscheidung des Bewerbers beruhe, der ja auf einen Arbeitsplatz angewiesen sei.
Die Entbindung von der Schweigepflicht hält Weichert für „viel zu undifferenziert“. Es sei das erste Mal, dass ihm bei Behörden etwas Derartiges untergekommen sei. „Ich hätte gehofft, dass sich schon früher jemand an uns wendet“, sagte er.