Horst Mahler soll hinter Gitter

Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr Haft wegen Volksverhetzung für Horst Mahler. Der rechtsextreme Anwalt nutzte die Verhandlung vor allem zum Schwadronieren. Sein Anwalt fordert Freispruch

VON MAREKE ADEN

Der ehemalige RAF-Terrorist und Neonazi Horst Mahler soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung für ein Jahr ins Gefängnis. In seinem Plädoyer begründet der Staatsanwalt vor dem Landgericht gestern seine Forderung einer Haftstrafe mit: „Nichts, aber auch gar nichts spricht für den Angeklagten.“ Mahler wird vorgeworfen, auf einer NPD-Veranstaltung im September 2002 in Köpenick ein 400-seitiges Schriftstück mit volksverhetzenden und antisemitischen Inhalten an Journalisten verteilt zu haben. Die Verteidigung plädierte hingegen auf Freispruch. Mit einem Urteil in dem seit einem Jahr laufenden Prozess ist voraussichtlich morgen zu rechnen.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Mahler noch im Laufe des Prozesses neue Straftaten begangen. Seine Tiraden im Gerichtssaal und auf den Gerichtsfluren hatten gleich ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung ausgelöst. Auch, dass der 68-Jährige davon gesprochen habe, seine Zeit bei der RAF habe ihm Spaß gemacht, sei zu seinen Lasten zu werten. Der Staatsanwalt stellte Horst Mahler zudem als Profilneurotiker dar. Zu diesem Zweck zitiert er sogar eine RAF-Terroristin. Monika Berberich hielt Mahler schon 1974 für einen „belanglosen Schwätzer und eine lächerliche Figur“ – so steht es in dem Buch „Der Baader Meinhof Komplex“. Mahler versuche immer nur, im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen, egal ob mit linken oder rechten Inhalten. In einem nächsten Leben werde er es vielleicht mal mit Scientology versuchen, sagt der Staatsanwalt.

Tatsächlich hat Mahler den Prozess genutzt, um sich und seine Ansichten ausgiebig darzustellen. 35 Verhandlungstage lang liest er seine „Einlassung“ vor, ein Pamphlet mit zusammengewürfelten Zitaten aus der internationalen Szene der Holocaust-Leugner, seinen Betrachtungen über die deutsche Geschichte sowie eigener und antisemitischer Hegel-, Goethe- und Luther-Interpretation. Elf Monate zieht sich der Prozess vor dem Berliner Landgericht daher schon hin, obwohl es eigentlich um eine einfache Frage geht: Hat Mahler sich durch die Worte „Der Hass auf Juden ist geradezu das untrügliche Zeichen eines intakten spirituellen Immunsystems“ wegen Volksverhetzung strafbar gemacht oder nicht?

Sein Verteidiger meint: Nein. Nicht Mahler selbst habe der Presse den für das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bestimmten Schriftsatz gegeben, in dem er sich so äußert, sondern ein Pressesprecher. Ihm sei das Zitat deswegen nicht zuzurechnen. Das sagt der Verteidiger aber nur vor dem Gerichtssaal einigen Journalisten. Im Gerichtssaal unterbricht Mahler seinen Anwalt mitten im Plädoyer rüde, weil er selbst reden möchte. Der Verteidiger murmelt daraufhin nur noch etwas von Freispruch, setzt sich hin und schweigt fortan.

Dann darf Horst Mahler noch einmal loslegen. Dem Angeklagten steht „das letzte Wort“ zu und das nutzt der ehemalige Anwalt, ehemalige RAF-Terrorist und ehemalige NPDler – inzwischen ist ihm die rechtsextreme Partei zu sehr „am Parlamentarismus ausgerichtet“ – zu einem Schlusswort mit der Überschrift: „Bericht einer dritten Geburt“. Der „Hass auf Juden“ spielt darin eine zentrale Rolle, die „Zinsknechtschaft“, der „jüdische Geheimbund im Geldwesen“ und das „geschändete Andenken Adolf Hitlers“.

Eine Stunde lang spricht Mahler, und weil er einen Beweisantrag stellt – er will, dass die Philosophin Miriam Bienenstock zum jüdischen Anteil am deutschen Idealismus gehört wird –, wird die Beweisaufnahme noch einmal eröffnet. Der Richter schaut gequält, der Verteidiger beleidigt, der Staatsanwalt böse. Selbst einigen Anhängern, die sich wie an jedem Verhandlungstag im Zuschauerraum drängen, fallen die Augen zu. Das hält sie nicht davon ab, in den Verhandlungspausen einem Fernsehreporter aus Tel Aviv zu berichten, für wie „splendid“ – großartig – sie seine Gedanken halten.

Der Polizei hat der Prozess bereits etwas gebracht: Sie hatte einen Teil der Szene im Gerichtssaal im Blick und konnte ein paar Mal sogar jemanden festnehmen – wegen Hakenkreuzschmierereien.