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Archiv-Artikel

Alle Ampeln stehen auf grün

ENDSPIEL Die Fußballer des VfL Wolfsburg werden am Samstag aller Voraussicht nach die Meisterschale nach Niedersachsen holen. Im Weg stehen nur noch die vom Uefa-Cup ausgelaugten Nachbarn aus Bremen

VON RALF LORENZEN

Egal welchen Meisterschaftsfavoriten die Kommentatoren auf dem Zettel haben – einhellig verpassen sie dieser Bundesligasaison das Etikett „spannendste aller Zeiten“. Ein Finale, in dem zwei Spieltage vor Saisonende noch fünf Mannschaften die Chance auf den Titel hatten, von denen am Schluss noch drei übrig blieben, gab es allerdings auch schon 1967. Damals hieß der Meister Eintracht Braunschweig.

Am Samstag, dem letzten Spieltag in der Saison 2008 / 2009, könnte sich die Geschichte 30 km weiter nordöstlich wiederholen. Der VfL Wolfsburg wird die Meisterschale der Bundesliga höchstwahrscheinlich nach Niedersachsen holen und wäre damit nach Eintracht Braunschweig die zweite Mannschaft, der das gelänge. Im Weg steht allerdings noch der große Nachbar aus Bremen. Dem VfL Wolfsburg genügt aufgrund seines Torverhältnisses schon ein Unentschieden, um die Konkurrenten aus München und Stuttgart, die gleichzeitig gegeneinander antreten, hinter sich zu lassen.

Die Spielplangestalter der Deutschen Fußball Liga (DFL) haben mit dieser Ansetzung bewusst ein dramatisches Saisonfinale inszeniert – nur die Rollenverteilung hatten sie anders erwartet. Was für Wolfsburg das wichtigste Spiel der Vereinsgeschichte ist, bedeutet für Werder Bremen lediglich eine lästige Pflichtaufgabe, die sie mit Anstand hinter sich bringen müssen. Die Bayern und Stuttgarter würden morgen jeden anderen Gegner lieber in Wolfsburgs sehen, als ausgerechnet die ausgelaugten Bremer, die ihre letzten Kräfte für das Pokalfinale sparen müssen, das am 30. Mai in Berlin stattfindet.

Selbst die letzte Hoffnung, ein Triumph im Uefa-Cup könne den Grün-Weißen einen Euphorie-Schub verleihen, der sie zum Sieg über die Wolfsburger trage, ist seit Bremens Niederlage gegen Schachtjor Donezk am Mittwochabend dahin. Die Bremer werden das Spiel gegen Wolfsburg zwar nicht bewusst verschenken, aber sie werden auch nicht über die Schmerzgrenzen hinausgehen, die ihnen ein Gegner aufzeigt, für den es um alles geht.

So ist der allerletzte Hoffnungsschimmer der Wolfsburger Konkurrenten verbunden mit dem Schlagwort „Unterhaching“. Im Jahr 2000 hätte den damals bärenstarken Leverkusenern im letzten Spiel beim Tabellenzehnten Unterhaching auch ein Unentschieden zur Meisterschaft genügt. Sie scheiterten schließlich weniger an den unbekümmert aufspielenden Unterhachingern, als an ihren eigenen Nerven. Selbst der Großmotivator Christoph Daum konnte ihnen die Angst vorm Gewinnen nicht austreiben.

Die Wolfsburger zeigen allerdings nicht die geringsten Anzeichen einer psychischen Blockade. Daran hat auch der vorzeitig bekannt gewordene Abschied von Trainer und Multifunktionär Felix Magath nichts geändert. Die letzte englische Woche haben sie mit zwei Siegen und 8 : 0 Toren souverän hinter sich gebracht. Und im eigenen Stadion gab es in der aktuellen Saison überhaupt noch keine Niederlage. Altmeister Udo Lattek hat seine restliche Haarpracht darauf verwettet, dass sich das auch am letzten Spieltag nicht ändert.

So geht der Blick vielfach schon über das Saisonende hinaus. Selten war der Aufstieg einer Fußballmannschaft so mit einem Namen verbunden wie dieser. Der kühle Stratege Felix Magath hat seinen mit der VW-Spitze ausgeheckten Masterplan, den VfL auf dem europäischen Markt zu platzieren, bereits nach zwei Jahren übererfüllt. In der Liste möglicher Nachfolger, die das von Magath entwickelte Erfolgsmodell in der Spur halten könnten, fällt neben den Namen Veh, Slomka und van Basten auch immer noch der des Bremer Trainers Thomas Schaaf.

Die beste Warnung davor, sich zu lange auf den Lorbeeren auszuruhen, hält ausgerechnet das Schicksal des Erzrivalen aus Braunschweig bereit. Der Überraschungsmeister von 1967 steckt seit 25 Jahren in den Niederungen der unteren Ligen fest. Dort feiert er allerdings jeden Auf- und verhinderten Abstieg wie es sich gehört: mit Autokorso und Rathausbalkon. Und das sind zwei Klassiker des Feierns, die am Samstag in Wolfsburg fehlen werden: Für einen Autokorso ist die VW-Stadt zu klein. Und einen Balkon gibt es am Wolfsburger Rathaus nicht.

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