Konzerne verdienen so viel wie nie zuvor

Nach den Rekordgewinnen 2004 können die Unternehmen in diesem Jahr weltweit mit Zuwächsen rechnen, die weit über dem Wirtschaftswachstum liegen. Spitzenreiter: die DAX-Firmen, die auch von Stellenstreichungen profitieren

BERLIN taz ■ Die Prognosen für die deutsche Volkswirtschaft unterscheiden sich nur im Promillebereich von denen für das abgelaufene Jahr: Zwischen 0,8 und 1,8 Prozent Wachstum erwarten die Konjunkturexperten für 2005. Trotzdem herrscht in den Chefetagen der DAX-Konzerne Hochstimmung – die Gewinnentwicklung hat sich längst vom Umsatzwachstum gelöst. Nach den Prognosen der großen Investmenthäuser dürfen sie für 2005 beim Jahresüberschuss mit einem Plus von gut 20 Prozent rechnen.

Dabei handelt es sich um kein rein deutsches Phänomen: So prognostiziert das französische Finanzhaus JCF, dem die Analysten aller großen internationalen Banken über ein Panel zuarbeiten, für die Unternehmen im US-Index Standard&Poor’s ein Gewinnwachstum von rund 8 Prozent und für die im Euro-Stoxx gelisteten Konzerne von gut 10 Prozent.

Dabei haben die großen börsennotierten Unternehmen schon 2004 so viel verdient wie nie zuvor. Absoluter Spitzenreiter auch da schon: die DAX-Unternehmen. Sie verdienten nach den vorliegenden vorläufigen Daten durchschnittlich gut 70 Prozent mehr als 2003. Dabei steigerte sich das Tempo von Quartal zu Quartal: Im Sommer hatten die Unternehmen selbst für das Gesamtjahr noch ein Plus von knapp 50, im Spätherbst schon von gut 60 Prozent erwartet. Die US-Konkurrenz im Standard&Poor’s-Index legte übers Jahr um knapp 20, die europäische im Euro-Stoxx um rund 25 Prozent zu. Alles zusammen ist der Zuwachs 2004 der höchste seit 1993, die absolute Gewinnsumme übertrifft selbst die der Boomjahre 1998 und 1999.

Im Einzelnen ergeben sich allerdings auch für Deutschland wesentliche Unterschiede. So konnte Infineon seinen Jahresüberschuss gegenüber 2003 vervier- und DaimlerChrysler seinen sogar nahezu verfünffachen. Und auch BASF, die Deutsche Bank, die Telekom, Linde und RWE verdoppelten ihre Gewinne.

Aus dem Rahmen fallen dagegen Volkswagen mit einem Gewinneinbruch von fast 40 Prozent und der Energieversorger Eon mit einem Minus von etwa 15 Prozent.

Dass die großen deutschen Unternehmen trotz des unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums und der entsprechend schlechten Stimmung im eigenen Land so profitabel sind, hat verschiedene Gründe: So ist der deutsche Markt immer noch hauptsächlich von industrieller Produktion bestimmt und damit stärker von der Nachfrageentwicklung abhängig als etwa dienstleistungs- und beratungsorientierte Märkte. Konjunkturschwankungen schlagen also sofort durch.

Das wäre allerdings sogar ein besonderes Problem, wenn die Unternehmen ihren Absatz vor allem im Inland hätten. Tatsächlich sind sie aber bekanntermaßen stark exportorientiert und zudem internationalisiert: Generierten die 30 DAX-Konzerne vor 15 Jahren noch nur knapp die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland, sind es inzwischen gut zwei Drittel. Und die Weltwirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um rund 4,8 Prozent – so viel wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Aber auch Umstrukturierungen in den Unternehmen haben zu den Gewinnsprüngen beigetragen. Wie immer in Zeiten schwächeren Wachstums haben sie vermehrt auf so genannte Produktivitätsverbesserungen gesetzt. Kostensenkungen durch den Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen sowie Arbeitsintensivierung durch flexibleren Einsatz von Beschäftigten sorgen für niedrigere Lohnstückkosten, eine bessere Wettbewerbsposition – und zumindest kurzfristig für ein Gewinnplus.

Ganz so gut, wie die Prognosen – auch nur auf den ersten Blick – vorgaukeln, sind die deutschen Unternehmen für 2005 allerdings doch nicht aufgestellt. Ein großer Teil des zu erwartenden Zuwachses verdankt sich weitgehend einer Änderung der Bilanzierungsvorschriften. Alle Konzerne müssen ihre Abschlüsse nun nach dem Regelwerk des International Accounting Standards machen. Doch auch um diesen Effekt bereinigt, dürfte für die deutschen Unternehmen für 2005 ein realer Gewinnzuwachs von rund zehn Prozent zu erwarten sein.

BEATE WILLMS