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Making Worlds/Fare Mundi/

SPRACHVERWIRRUNG Die Kunstbiennale von Venedig macht vor, wie mit man Wörtern Welten macht

Jeder Länderpavillon eine Welt für sich. Unter dem Motto „Making Worlds“ will die in diesem Jahr von Daniel Birnbaum kuratierte Kunstbiennale von Venedig ab dem 6. Juni „eine Vision der Welt, eine Art des Weltenmachens repräsentieren“. Die Nähe Birnbaums zum konkreten künstlerischen Schaffen, aber auch sein Philosophiestudium sind deutlich im Ausstellungskonzept zu erkennen. „Im Schwedischen hat ‚Weltenmachen‘ eine stark religiöse Konnotation“, erklärt er, „im Italienischen eher eine philosophische, im Englischen eine handwerkliche, im Französischen eine architektonische.“ Und im Deutschen? Bildungsbürger mögen sich an den Geniekult erinnern, der den Künstler zum gottähnlichen Schöpfer erhob.

In 80 Sprachen wurde das Motto für den Biennale-Katalog übersetzt. Briefköpfe und Informationsmaterialen zeigen zumindest drei Sprachen: Englisch als Weltsprache, Italienisch als Sprache des Gastgeberlandes und „eine für die jeweilige Leserzielgruppe fremd wirkende Variante“, etwa chinesische Zeichen.

Auf der Berliner Pressekonferenz kommt Birnbaum einer Nachfrage zuvor, nein, er könne aus dem Stegreif keine Auskunft über die Bedeutung der einzelnen Zeichen geben. Was in der Übersetzung des Mottos zhi zao shi jie alles mitschwingt, macht eine Diskussion mit in Deutschland lebenden Chinesen deutlich. „Nein“, nach Kunstschaffen klinge das nicht, lautet eine Antwort. Das hier verwendete Zeichen für „machen“ (zhi zao) meine die serielle Fertigung von Dingen. „Für ‚Schaffen‘ im kreativen Sinne würden wir chuang zao verwenden. Ich sehe da eher Fabrikarbeiter vor mir.“

Eine Künstlerin hat einen dritten Vorschlag: „Ich hätte dazhao besser gefunden, da wird das selbstbestimmte Tun betont“; chuang zao sei zu pathetisch. Warum sich Birnbaum und sein Korrespondententeam für das pragmatische zhi zhao entschieden, lässt der folgende Kommentar eines chinesischen Germanisten ahnen: „Ich denke sofort an ‚Made in China‘, das heißt nämlich zhong guo zhi zhao. Weil aber das chinesische Biennale-Motto das ‚Machen‘ an den Anfang des Satzes stellt, fehlt das Subjekt; und die Welten und damit auch China werden zum Objekt. Man fragt sich sofort, wer die Welten macht? Das Kunstschaffen bekommt also die denkbar größte Bedeutung.“

Deutlich wird, dass bereits vier Zeichen unterschiedliche Vorstellungswelten schaffen. „Making Worlds“ durch „Making Words“. ULRIKE MÜNTER

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