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Archiv-Artikel

Agentenring aufgeflogen

MOSSAD-PANNE Hisbollah-Sender Al-Manar berichtet von 18 verhafteten israelischen Agenten im Libanon. Mehrere entkamen mit Familien über die Grenze nach Israel

„In der Regel wissen die Agenten nicht voneinander“ – Geheimdienstexperte Yossi Melman

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Der israelische Geheimdienstexperte Jossi Melman führt das Auffliegen eines israelischen Agentennetzes im Libanon auf technisches Versagen zurück. In den vergangenen Monaten nahmen die libanesischen Sicherheitsdienste laut einem Bericht des Hisbollah-nahen Fernsehsenders Al-Manar unter dem Vorwurf der Spionage für Israel 18 Verhaftungen vor. Erst in der letzten Woche gelang zwei Männern zusammen mit ihren Familien die Flucht nach Israel. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah forderte das Todesurteil für die „Kollaborateure“.

Melman, der mehrere Bücher über die im Nahen Osten tätigen Geheimdienste veröffentlicht hat und regelmäßig für die liberale Tageszeitung Ha’aretz zum Thema schreibt, glaubt an eine Verbindung zu den am 7. Juni geplanten Parlamentswahlen im Libanon. „Die Hisbollah versucht, aus der Sache politischen Profit zu schlagen“, sagt er. Das indiziere schon die Meldung in der Tageszeitung As-Safir, in der der Verdächtige Ziad Homsi als „sehr wichtiger Agent“ bezeichnet wird. Homsi gehört der „Bewegung Zukunft“ unter der Führung des Abgeordneten Saad Hariri an, einem Sohn des ermordeten Exregierungschefs Rafik Hariri. Die „Bewegung Zukunft“ konkurriert mit der Hisbollah um die Wählerstimmen.

Nach Ansicht des israelischen Geheimdienstexperten war „Homsi eher ein kleines Licht“. Stattdessen schreibt Melman General Adiv Alem, der schon vor einigen Monaten verhaftet wurde, „allein aufgrund seines Militärranges“ eine zentrale Rolle zu. Einer der Aufträge für die Agenten lautete angeblich, sich der Hisbollah zu nähern, um das Versteck Nasrallahs zu finden. Auch mit dieser Meldung „kann sich Nasrallah wichtig machen“, sagt Melman. Der Hisbollah-Chef war während der israelischen Libanon-Offensive vor knapp drei Jahren abgetaucht, weil er einen möglichen Mordanschlag der Israelis fürchtet. Die für die israelischen Geheimdienste Mossad, Schin Beth oder den militärischen Abwehrdienst Amman tätigen Agenten hatten zudem die Aufgabe, Informationen über militärische Anlagen einzuholen. Wie die israelische Zeitung Ma’ariv gestern unter der Überschrift: „Rekrutierungsloge, Filiale Libanon“ schrieb, seien sowohl Libanesen als auch Syrer, die ihren Wohnort im Libanon haben, engagiert worden. Dazu gehörten auch ehemals in Israel festgehaltene Häftlinge. Die Informationen seien entweder per E-Mail, über Satellitentelefon übertragen worden oder während direkter Treffen in Europa oder im israelisch-libanesischen Grenzgebiet.

Melman glaubt nicht daran, dass sich die Verdächtigen gegenseitig verraten haben. „In der Regel wissen die Agenten nicht voneinander.“ Außerdem sei „weder sicher, ob alle Verhafteten tatsächlich Agenten waren, noch ob das gesamte Netz aufgeflogen ist“. Ein Todesurteil hält Melman für „unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen“. Es handelte sich, wie er vermutet, „nicht um große Nummern“. Vor 15 Jahren war ein israelischer Agentenring im Libanon aufgespürt worden. Damals wurde ein Mann hingerichtet.

„Fangt an, die Verräter aus der schiitischen Gruppe zu exekutieren“ – Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah

„Fangt an, die Verräter aus der schiitischen Gruppe zu exekutieren“, hatte Nasrallah am Wochenende vor Anhängern gefordert, die anlässlich des 9. Jahrestages nach dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon zusammenkamen. Jetzt sei nicht die Zeit „für Spielchen“. Umgekehrt wurde in Israel der Ruf nach gerichtlicher Verfolgung des Hisbollah-Chefs laut. Außenminister Avigdor Lieberman nahm gestern Bezug auf einen Bericht aus dem Spiegel, der die Hisbollah für den Tod Rafik Hariris verantwortlich macht. „Die Informationen beweisen einmal mehr, mit wem wir es zu tun haben“, meinte Lieberman. Das müsse „die ganze Welt beunruhigen“. Laut Spiegel ist der Auftrag zum Mord von Nasrallah persönlich erteilt worden, weil sich dieser im Jahre 2005 über die große Popularität und Unterstützung Hariris im Libanon geärgert habe.

Bislang hatte man Syrien hinter dem Mordanschlag vermutet. Die überraschende Veröffentlichung, die sich auf Untersuchungen des UN-Tribunals beruft, kann der schiitischen Partei Gottes Wählerstimmen kosten. „Nasrallah“, so schreibt der Analyst Zvi Barel von Ha’aretz, werde nun „eine intensivierte Kampagne zur Leugnung und Schadenskontrolle starten“.