Ruhrparlament erstmals rot-grün gefärbt

Drei Tage vor der konstituierenden Sitzung der Verbandsversammlung des RVR schließen SPD und die Grünen einen Koalitionsvertrag ab. Der Essener Kulturexperte Scheytt (SPD) ist im Gespräch, Präsident zu werden

RUHR taz ■ Oliver Scheytt könnte neuer Chef des Ruhrgebiets werden. Wie die taz erfuhr ist der Leiter des Essener Kulturdezernats in der engen Auswahl, Verbandsdirektor des Regionalverbandes Ruhr (RVR) zu werden.

„Ach wo“, sagte Scheytt gestern der taz. Er habe doch einen tollen Job. Und wenn er gefragt werde? „Dann müsste ich natürlich darüber nachdenken.“ Seit 1993 ist Scheytt Kultur- und Bildungsdezernent, tanzt kulturpolitisch auf vielen Hochzeiten. Neben seinem Engagement für Essen als Kulturhauptstadt 2010 ist der promovierte Musikwissenschaftler seit 1997 auch Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Städtetages und in der Kultur-Enquetekommission des Bundestages.

Ob und wann Oliver Scheytt gekrönt wird, ist noch unsicher: Wahrscheinlich findet die Wahl erst auf der nächsten Sitzung Mitte März statt. Die Grünen sind skeptisch. „Scheytt hat sich vor allem selbst ins Gespräch gebracht“, sagt Sebastian Müller, Vorsitzender der Ruhrgrünen. Auch sein Parteikollege Thomas Rommelspacher ist nicht überzeugt: „Scheytt ist ein ausgewiesener Kultur-Experte. Ob er auch Verwaltunsgschef sein kann, ist fraglich.“ Die Kritik der Grünen wird allerdings verhallen. Sie müssen sich dem Vorschlagsrecht der GenossInnen beugen.

Fest steht hingegen schon der erste rot-grüne Koalitionsvertrag in der Geschichte des Verbandes. Erstmals mussten die GenossInnen im Ruhrgebiet einen Partner finden, weil sie ihre Mehrheit an die CDU verloren haben und kleine Parteien wie die Grünen, die FDP und die PDS Fraktionsstatus erhalten. „Wir wollen eine gemeinsame Gestaltungslinie“, sagt Norbert Römer (SPD), Vorsitzender des Regionalbüros Westliches Westfalen. Die erfolgreiche Arbeit des Verbandes könne weiter gehen.

Die Grünen hoffen allerdings auf einen Bruch mit dem Traditionsverband. „Wir machen einen Kassensturz“, sagt Müller. Ab jetzt sollten alle Akteure des Reviers miteinander, nicht gegeneinander arbeiten. Auf regelmäßigen Konferenzen sollten alle ExpertInnen der Städte zusammentreffen. „Wir müssen uns neu erfinden“, sagt auch Rommelspacher. Die gesamte Organisation müsse überprüft, viele Gelder umverteilt werden. Klar sei, dass dem Tourismus ein neuer Stellenwert eingeräumt werde. „Marketing und Tourismus werden in dieser Region immer wichtiger.“ Deshalb sollen die Route der Industriekultur und der Emscher Landschaftspark entwickelt werden. Außerdem soll es Masterpläne zur Bildung und zur Landschaftsplanung geben.

Nicht bei allen Themen herrscht eitel Sonnenschein: Um die Abfall-Entsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet (AGR) aus Herten, eine hundertprozentige Tochter des RVR, gibt es offenen Streit zwischen Roten und Grünen: Die SPD will die defizitäre Gesellschaft ausbauen, die Grünen halten das für „wirtschaftlich hochriskant und umweltpolitisch schädlich“, so Rommelspacher. A. JOERES/ P. ORTMANN