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Archiv-Artikel

Nicht für Haushaltslücken

Spätestens 2007 will Niedersachsen die Studiengebühr einführen: „Sie bedeutet mehr Wettbewerb und bietet enorme Chancen“ so Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) im Interview. Bedingung: Das Geld muss in die Hochschulen fließen

Interview: Kai Schöneberg

taz: Herr Stratmann, am 26. Januar entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Studiengebühren. Wie wird das Urteil ausfallen?

Lutz Stratmann: Schon die Karlsruher Entscheidung zur Juniorprofessur war ein Indiz dafür, dass das Gericht den Weg auch bei den Studiengebühren für die Länder frei räumen dürfte. Man hört aber auch, dass es eine Reihe von Bedingungen geben könnte, die die Sozialverträglichkeit oder die Bewahrung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse betreffen.

Wann wollen Sie in Niedersachsen Studiengebühren einführen?

Das hängt auch davon ab, ob sich die 16 Länder verständigen können. Ich denke, ein Land allein wird nicht vorpreschen. Und auch in Nordrhein-Westfalen dürfte sich nach der Wahl Einiges in Richtung Gebühren bewegen. Ob wir das Ziel vor der Bundestagswahl erreichen, halte ich dennoch für zweifelhaft. Dieses Jahr wäre wohl zu vorschnell, 2006 wünschenswert und 2007 am realistischsten.

Wie hoch sollen die Gebühren sein?

Wir wollen Gebühren nur einführen, wenn sie sozialverträglich sind und als zusätzliche Einnahmen den Hochschulen zur Verbesserung der Lehre verbleiben. Sie dürfen auch nicht dazu dienen, dass sich ein Präsident ein neues Verwaltungsgebäude baut. Dann möchte ich den Hochschulen freistellen, ob und in welcher Höhe sie Gebühren erheben. Erfahrungen aus Österreich zeigen, dass ein Höchstbetrag von 500 Euro vielleicht zu gering angesetzt ist. Man könnte sich also vorstellen, dass beispielsweise ein Ingenieurs-Studiengang 700 Euro pro Semester kostet, ein sozialwissenschaftlicher 300 Euro.

Besteht nicht die Gefahr, dass günstige Hochschulen überrannt werden?

Die Studierenden sollen durch die Gebühren in die Rolle versetzt werden, in der sie sich fragen: Wird mir hier eine Qualität geboten, die es rechtfertigt, Studiengebühren zu zahlen? Die Universitäten sollen merken, wenn sich Studenten plötzlich anderswohin orientieren und die Hochschulen dadurch weniger Einnahmen haben. Das ist das entscheidende Argument für die Studiengebühr: Sie bedeutet mehr Wettbewerb und bietet damit enorme Chancen, die Studienbedingungen zu verbessern.

Wie sollen die Studierenden das zahlen?

Wir möchten gerne jedem unabhängig vom Einkommen der Eltern einen Kredit anbieten.

Zinslos?

Das wird nicht möglich sein, aber zinsgünstig. Wenn man Steuern zahlt, sollte die Rückzahlung einsetzen. Dabei denke ich nicht an 500 Euro pro Monat, das soll viel niedriger sein. Als Geldgeber bieten sich öffentliche Kreditinstitute an. Aber selbst bei einem Zinssatz von 2 oder 2,5 Prozent könnten sich Privatbanken engagieren: Bei den Kreditnehmern handelt es sich ja meist um die Besserverdienenden der Zukunft.

In Bayern will der Finanzminister zehn Prozent der Gebühren einbehalten. Wie wollen Sie das Studentengeld vor dem Zugriff des Kassenwarts retten?

Einnahmen aus Studiengebühren dürfen nicht zur Schließung von Haushaltslücken verwendet werden. Und auch nicht dafür, den staatlichen Zuschuss an die Hochschulen zu senken. In Niedersachsen gibt es 160.000 Studierende. Wenn man die Studienabbrecher und Härtefälle herausrechnet, kommt man vielleicht auf Einnahmen in Höhe von 100 Millionen Euro pro Jahr.

Wieviel zusätzliche Stellen bedeutet das?

Umgerechnet wären das etwa 2.800 Vollzeitstellen. Es könnten aber auch eine Menge Tutoren- oder Hiwi-Stellen auf 400-Euro-Basis eingerichtet werden, was zu einer enormen Verkleinerung der Lerngruppen führen würde. Ich möchte nur den gesetzlichen Rahmen vorgeben, die Hochschulen sollen selbst entscheiden, was sie mit dem Geld tun.

Was halten Sie vom taz-Modell, nach dem Hochschule und Studierendenschaft die Gebühren aushandeln, um soziale Ausgestaltung und Verwendung für studentisches Lernen zu garantieren?

Ich traue Studenten, Lehrkörper und Hochschul-Verwaltung zu, sich über die Verwendung der Gebühren zu einigen. Dadurch entsteht eine größere Akzeptanz und Identifikation mit den Regelungen.

Insgesamt stehen die Hochschulen im Land derzeit mit 50 Millionen Euro im Jahr weniger da als zu SPD-Zeiten. Wann kommt endlich Ihr seit langem versprochener Zukunftspakt?

Wenn wir Studiengebühren einführen, müssen wir den Hochschulen auch verlässliche Rahmenbedingungen bieten. Deshalb möchte ich auch, dass die jetzigen Etatmittel festgeschrieben werden. Dass das der Finanzminister anders sieht, liegt in der Natur der Sache.