: „Die Versuchskaninchen sind wir“
Anwohner von Mobilfunkanlagen fordern Reihenuntersuchungen statt Tier-Experimente. Forscher: keine Gefahr
Bremen taz ■ Er hat das Schwierige erfolgreich versucht und musste doch scheitern. 160 Mäuse, so gezüchtet, dass sie im Laufe ihres Lebens unweigerlich an Leukämie erkranken, hat der Zoologe, Neurophysiologe und Chronobiologe Alexander Lerchl an der International University Bremen (IUB) fast ein Jahr lang im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz mit Handy-Wellen bestrahlt, fünfmal so stark wie nach dem deutschen Grenzwert Menschen durch Funkmasten und Antennen belastet werden dürfen. 160 weitere Mäuse derselben Sorte bekamen keine Strahlen ab. Einen Unterschied im Krankheitsverlauf der Tiere konnte er nicht feststellen, sie wurden alle gleich schnell krank. Auch bei einem Versuch mit UMTS-Strahlen kam Lerchl zum gleichen Ergebnis. Seine Schlussfolgerung: Mobilfunkstrahlung ist zumindest unterhalb der gültigen Grenzwerte nicht schädlich.
Lerchl präsentierte seine Forschungsergebnisse gestern auf einer Informationsveranstaltung der Senatskanzlei zum Thema Mobilfunk, Anlass: der Streit um weitere 62 Standorte von UMTS-Antennen in Bremen. Deren Genehmigungsverfahren hatte die Umweltdeputation im Dezember vorerst ausgesetzt – offiziell, weil erst der Petitionsausschuss über die seit Jahren anhängigen Petitionen gegen den weiteren Ausbau der Mobilfunknetze entscheiden soll.
Politisch ist die Richtung längst festgelegt. Von einer „Vielzahl zukünftiger Arbeitsplätze“ durch mobile Techniken und „wirtschaftlichen Möglichkeiten für Bremen“ schwärmte gestern Manfred Klenke, der Mobilfunk-Beauftragte der Senatskanzlei. Und der SPD-Umweltpolitiker Joachim Schuster bekräftigte: „Wir werden weiter ausbauen.“
Barbara Schneider von der Anwohnerinitiative Bunker Scharnhorststraße forderte eine Reihenuntersuchung bei AnwohnerInnen von existierenden Mobilfunkanlagen. Nur so ließen sich eventuelle Gesundheitsschäden verwertbar nachweisen. Schneider: „Die eigentlichen Versuchskaninchen sind wir.“
Vor dem weiteren Ausbau der Netze müsse „eindeutig nachgewiesen“ sein, dass die Strahlen auch langfristig keine Schäden verursachten, verlangte sie. „Die Nicht-Existenz eines nicht existierenden Effekts zu beweisen, das geht fast überhaupt nicht“, hielt Lerchl ihr vor. Schneider konterte: „Eben.“ Armin Simon