Der König von München ist tot

Der Münchner Modemacher Rudolph Moshammer wurde am Freitagmorgen tot in seiner Villa in München aufgefunden. Die Polizei geht von Mord aus – was die Münchner Schickeria und Boulevardpresse in ähnliche Hysterie versetzen dürfte wie im Fall des ermordeten Schauspielers Walter Sedlmayr

AUS MÜNCHEN JÖRG SCHALLENBERG

Es klingt fast wie der Beginn einer besonders typischen „Derrick“-Folge: Ein prominenter Modemacher der Münchener Schickeriaszene wird von seinem Chauffeur tot in dessen Villa im Nobelvorort Grünwald aufgefunden. Mit einem Unterschied: Diese Szene spielte sich gestern Morgen tatsächlich ab. Der Tote: Modeschöpfer Rudolph Moshammer. Er wurde im ersten Stock im Flur seiner Villa gefunden. Wie die Polizei mitteilte, sei er nach ersten Ermittlungen in der Nacht zum Freitag nach Mitternacht ermordet worden. Um den Hals Moshammers sei ein Kabel gelegt gewesen. Hinweise auf einen Einbruch gebe es nicht. Eine Selbsttötung könne ausgeschlossen werden.

Die Münchner Kriminalpolizei hat eine 20-köpfige Sonderkommission zur Aufklärung des Todes des Modeschöpfers Rudolph Moshammer eingesetzt. Derzeit werde die Leiche obduziert. Darüber hinaus gebe es erste Vernehmungen von Freunden und Bekannten Moshammers. Am Donnerstagabend sei der Modeschöpfer zunächst mit einer Bekannten in einem Restaurant in Grünwald essen gewesen, ehe er laut Zeugenaussage in seinem Rolls-Royce allein im Stadtgebiet von München unterwegs war. Anwohner hatten Moshammer zu später Stunde in seinem Wagen nach Hause kommen sehen.

Das Rätsel, was in jener Nacht in der Villa des exzentrischen, von Klatschpresse und Schickeria geliebten und zugleich tief verachteten Moshammer geschah, dürfte Polizei und Medien in den kommenden Wochen in ähnliche Hysterie versetzen wie der Mord an dem Münchner Schauspieler Walter Sedlmayr im Sommer 1990. Denn die Parallelen sind unübersehbar. Wie der stets im schwersten Bayrisch grantelnde Sedlmayr war auch Moshammer eine Figur, die so nur in Bayern und insbesondere in München existieren konnte.

Mit seinem exaltierten Auftreten repräsentierte er samt Hund Daisy und Mutter Else die Gratwanderung der dortigen B-Promi-Szene zwischen avantgardistischem Glamour und scheußlichstem Kitsch besonders prächtig. Wichtiger aber: Ebenso wie bei Sedlmayr gilt es bei Moshammer als offenes Geheimnis, dass er homosexuell war, was aber – bei beiden – in den Medien nie thematisiert wurde. Bis sie ermordet wurden. Nun aber dürfte sich vor allem die Boulevardpresse schnell wieder auf jenen Konsens einigen, den die taz im Fall Sedlmayr 1990 so zusammenfasste: „Die Homosexualität des Opfers wird Thema, schließlich erlaubt der Tod das Ende des Tabus.“

In Schlagzeilen übersetzt, klang das vor 14 Jahren so: „Der Mörder kam von hinten“. Das titelte zumindest Bild damals gewohnt kurz, bündig und geschmacksfrei doppeldeutig. Obwohl die Polizei in ganz verschiedene Richtungen ermittelte, schossen sich auch die beiden anderen Münchner Boulevardblätter tz und Abendzeitung auf einen „Mord im Homo-Milieu“ ein, recherchierten auf dem Männerstrich und in Stricherkneipen. Und Bild raunte von verruchten Orten, in denen „Männer auch mit Männern tanzen“. Sogar Der Spiegel unterstellte Sedlmayr ohne Hinweis auf Quellen „eine ausgesprochene Schwäche für hart zupackende Jünglinge aus der Stricherszene, gern auch Strafentlassene und Minderjährige“. Die Bunte summierte die gesammelten Erkenntnisse schließlich mit der Zeile: „Tatverdächtig: eigentlich das ganze Milieu“. Pech eigentlich, dass nach einem aufwändigen Indizienprozess schließlich ein Vetter Sedlmayrs und dessen Halbbruder als Täter verurteilt wurden und das Verbrechen offenbar eher aus finanzieller denn aus sexueller Gier geschah.

Im Fall des ermordeten Rudolph Moshammer wird sich zeigen, ob die vermeintliche Toleranz und Offenheit, die in München gepflegt wird und sich auch in dem eher linksliberal gesinnten Blatt Abendzeitung widerspiegelt, erneut in erbitterte und klischeebeladene Sensationsgier umschlagen wird wie bei Walter Sedlmayr. Angesichts der harten Konkurrenz gerade auf dem Münchner Boulevardmarkt – der allenfalls mit der Situation in Berlin zu vergleichen ist – werden sich neben Bild auch tz und Abendzeitung darauf besinnen, was sie in erster Linie sind: Produzenten verkaufsträchtiger Schlagzeilen, die den Münchnern in den folgenden Wochen entgegenschreien werden, was sie eigentlich nie über Moshammer wissen wollten. Oder doch?

Auf welchem Niveau sich die Berichterstattung bewegen wird, deuteten bereits die ersten ausführlichen Berichte von Agenturen, Fernsehsendern und Onlinemedien am Freitag an: Kaum ein Artikel kam ohne den Hinweis aus, dass sich Moshammers Schoßhündin Daisy glücklicherweise unversehrt in der Villa wiederfand.