TÖDLICHE GESCHICHTEN : Spargelpsychopath
Ein bisschen grünen Spargel will ich beim türkischen Gemüsehändler kaufen. Charmant packt er einfach mehr ein, zum Schluss liegen fünf Bund im Fahrradkorb. Schnell noch was umtauschen am Potsdamer Platz, in den Arkaden. Die Tüte reißt. Ein Verkäufer einer Obdachlosenzeitung steht neben dem Fahrradständer. Ein großer Mann mit langem, sorgfältig geflochtenem Zopf, ganz in Schwarz gekleidet. Der Deal: Ich kaufe eine Zeitung, dafür passt er auf den Spargel im Fahrradkorb auf. Okay, sagt er, lächelt und zieht an der Zigarette.
Zehn Minuten später bin ich zurück. Geplänkel. Ich würde ja lieber an so einem schönen Tag nicht arbeiten, aber ich brauche das Geld, sagt er. Immerhin sind Sie draußen, sage ich, ich habe gerade lange in einem dunklen Studio moderiert. Journalistin?, fragt er und kommt näher. Vielleicht kannst du mir helfen. Erzählt von einem Justizskandal, er sei verknackt worden, völlig zu Unrecht, 18 Monate wegen Körperverletzung, eine Mitarbeiterin des Sozialamtes. War nur eine Ohrfeige! Die hat mich beleidigt! Klar war ihr Gesicht rot, sonst wäre ich ja kein Mann, hehe! Schimpft auf das Amt, auf die Justiz, auf die Welt. Redet wirr, beschuldigt alle. Seine Eltern seien Straftäter, verfolgten ihn, er sei das Opfer.
Er redet sich in Rage. Als ich einfache Fragen zurück stelle – Du hast sie also geschlagen? – wird er unwirsch. Spuckt nun beim Reden. Kommt immer näher, seine Augen bekommen etwas Irres. Ihr Medienfuzzis!, sagt er, immer dasselbe. Er formt mit seiner linken Hand eine Pistole und hält sie mir an den Kopf. Das sind tödliche Geschichten, und du, dich kann man doch nicht ernst nehmen!
Dich leider auch nicht, sage ich und schwinge mich aufs Rad. Danke fürs Spargelhüten. Zu Hause merke ich, dass mir der nette Gemüsehändler Spargel verkauft hat, der von unten her dick und blau verschimmelt ist. MIRIAM JANKE