Koalition unter Hochspannung

Die SPD verlangt von Innensenator eine klare Abkehr von der Brechmittelvergabe, bevor sie ihre Haltung zum Misstrauensvotum der Grünen festlegt. Die Unzufriedenheit mit der großen Koalition eskaliert

Bremen taz ■ „Die Bürgerschaft entzieht dem Senator für Inneres und Sport, Thomas Röwekamp, das Vertrauen.“ So knapp ist der Satz, den die Grünen gestern auf ihrer Fraktionssitzung beschlossen haben. Über das Misstrauensvotum soll am 26.Januar in der Bürgerschaft geheim abgestimmt werden. Matthias Güldner erwartet ein „deutliches Signal“ von dem Stimmergebnis. Er hofft aus Stimmen aus der SPD. Und kann sich auch „nicht vorstellen, dass alle christdemokratischen Abgeordneten die Hardliner-Position von Senator Röwekamp und die demonstrative Unterstützung durch CDU-Spitzenvertreter teilen“. Jens Böhrnsen, der Fraktionsvorsitzende der SPD: „Wir müssen Konsequenzen aus dem tragischen Tod des Schwarzafrikaners ziehen und können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“

Die SPD ist mehrfach verärgert. Nicht nur die nassforsche Art, wie der Innensenator die Vorfälle in seinem Verantwortungsbereich kommentiert hat, auch die Ovationen beim CDU-Neujahrsempfang haben die Genossen auf die Palme gebracht. Dass sich hier ein neuer CDU-Innensenator als Hardliner auf Kosten des Koalitionspartners profiliert, wollen sie verhindern. Das Verhalten der SPD zu dem Misstrauensantrag sei keineswegs klar, hatte Böhrnsen daher signalisiert, und gestern konkretisierte die SPD-Fraktion, was das heißt: Per Antrag soll die Bürgerschaft die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln „endgültig“ stoppen. „Ich gehe davon aus, dass unser Koalitionspartner unserem Antrag zustimmen wird, denn der weitere gewaltsame Einsatz von Brechmitteln ist nicht verantwortbar“, teilt Böhrnsen lapidar mit. Die CDU-Fraktion hatte das Thema gestern gar nicht auf der Tagesordnung. Der CDU-Sprecher erinnerte an die alte Position, dass das Thema erst „verantwortlich“ geklärt werden könne, wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft über die Todesursache abgeschlossen seien. Die SPD-Fraktion will über ihre Haltung zum „Misstrauensvotum“ aber erst beraten, wenn die Reaktion der CDU auf den Brechmittelantrag klar ist – nächsten Montag.

Der Unmut in der SPD geht noch weiter. Übermorgen soll eine Pressekonferenz stattfinden, in der Fraktionschef und Landesvorsitzender dem Senat öffentlich erklären wollen, wie unzufrieden man mit der Koalitionsbilanz ist. Die Hängepartie mit dem Kanzlerbrief schwächt den Bürgermeister. Die SPD fühlt sich nun stark, die intern immer wieder geäußerte Kritik laut zu artikulieren. Kaum vorstellbar, dass es für Röwekamp viel Vertrauen in der SPD-Fraktion gibt, wenn er jetzt in Sachen Brechmittel nicht klein beigibt.

Die CDU ihrerseits ist denkbar schlecht vorbereitet auf eine Koalitionskrise. Der einzige, der deutlich erkennbar in Gedanken mit der Alternative „Schwarz-Grün“ spielt, ist Bausenator Jens Eckhoff. Vor seinem Abflug in einen mehrwöchigen Urlaub unterstrich er, dass er sich da das Maul nicht verbieten lasse. „Unverantwortlich“ sei das Spielen mit dieser Option, konterte der Landesvorsitzende Bernd Neumann auf dem Neujahrsempfang der CDU. Röwekamp wurde umjubelt, über Eckhoff war nur Abfälliges zu hören. Das sei die Beerdigung des Kronprinzen Eckhoff gewesen, sagen Beobachter, Neumann rief offiziell Röwekamp als „Hoffnungsträger“ der CDU aus – ausgerechnet.

In der internen Runde des CDU-Landesvorstands hat Neumann sich übrigens weit vorsichtiger zu dem Thema „Schwarz-Grün“ geäußert. Bis 2007 habe man die große Koalition verabredet, meinte er da nach dem der taz vorliegenden Protokoll, die Debatte um Schwarz-Grün sollte „nicht fortgeführt“ werden. Aber „persönliche, nichtöffentliche Kontaktpflege mit den Grünen könne sinnvoll sein“, war laut Protokoll Neumanns Rede, „um sich nach Wahlen alle Optionen offen zu halten. Der Landesvorstand teilt die Auffassung von Bernd Neumann in dieser Frage einhellig.“

Klaus Wolschner