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Archiv-Artikel

Abbas ordnet ein Ende der Gewalt an

Der palästinensische Präsident fordert die Sicherheitskräfte an, Anschläge zu verhindern. Heute will er in Gaza mit Führern der radikalen Gruppen sprechen. Israel startet zunächst keine neue Militäroffensive. Weiterer Raketenbeschuss auf Sderot

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas bittet um einen Monat Zeit, um die Widerstandsgruppen zur Einstellung der Gewalt zu bringen. Dies sagte der am Wochenende in seinem Amt vereidigte Abbas gegenüber Jossi Beilin, Chef des linken israelischen Parteienbündnisses Jahad, den er gestern in Ramallah empfing. Beilin, der zu den Initiatoren eines palästinensisch-israelischen Entwurfs für einen Friedensvertrag ( „Genfer Initiative“) gehört, kritisierte die „absurde“ Entscheidung der israelischen Regierung, die Kontakte zur neuen Palästinenserführung vorerst auszusetzen. Niemals zuvor habe es aufseiten der palästinensischen Führung eine so klare Haltung gegen die Gewalt gegeben, meinte er. Abbas hatte am Morgen die palästinensischen Sicherheitsdienste dazu aufgerufen, jede Art der Gewalt sowohl in Israel als auch in den besetzten Gebieten zu unterbinden.

„Es gibt klare Anordnungen an die palästinensischen Sicherheitsdienste, ihrer Verantwortung nachzukommen“, meinte der palästinensische Kommunikationsminister Asam al-Ahmed im Anschluss an die Kabinettssitzung in Ramallah. Der „Teufelskreis der Gewalt“ müsse beendet werden, dazu sei allerdings auch das Mitwirken der israelischen Seite nötig.

Erst am Morgen landeten erneut mehrere Kassam-Raketen in der Negev-Stadt Sderot. Vorläufig sieht die israelische Armee von massiven Militärinvasionen, wie sie Ende vergangenen Jahres stattfanden, ab. Berichten der Online-Ausgabe von Jediot Ahronot zufolge gab Stabschef Mosche Jaalon jedoch Anweisung zur Vorbereitung auf eine mögliche „Großoperation im Gaza-Streifen“.

Israels Premierminister Ariel Scharon reagierte mit scharfer Kritik auf den Tod von sechs israelischen Zivilisten bei dem Bombenanschlag am Grenzübergang Karni sowie den jüngsten Raketenbeschuss, bei dem zwei Kinder zum Teil lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Die neue Führung in Ramallah habe „nicht das Geringste unternommen, um die Angriffe zu unterbinden“, wetterte er im Verlauf der sonntäglichen Kabinettssitzung. Er kündigte an, dass die israelische Armee „ohne Einschränkungen gegen den Terror vorgehen wird“, solange die palästinensischen Sicherheitsdienste das nicht tun. Der Minister Zahi Hanegbi (Likud, ohne Aufgabenbereich) nannte Abbas einen „zweiten Arafat“.

In den Reihen des neuen Koalitionspartners, der Arbeitspartei, blieb es angesichts des Abbruchs sämtlicher Kontakte zur palästinensischen Führung überraschend ruhig. Minister Haim Ramon (Arbeitspartei, ohne Aufgabenbereich), der selbst unter den Sozialisten als eher links stehend gilt, forderte Abbas, dem „nicht einmal eine Sekunde Schonfrist“ zukomme, dazu auf, „sofort zu agieren“. Allein Beilin erinnerte daran, dass Abbas „erst seit ein paar Tagen im Amt ist“. Die Einstellung des Raketenbeschusses aus dem Gaza-Streifen habe für ihn, wie er in dem Gespräch mit ihm erfahren habe, „höchste Priorität“.

Bereits am Vortag berief Abbas in seiner Funktion als PLO-Chef das Exekutivkomitee der Palästinensischen Befreiungsorganisation zusammen und veröffentlichte anschließend einen Appell zur „Einstellung aller militärischen Operationen, die unseren nationalen Interessen schaden und Israel eine Ausrede liefern, der Stabilität im palästinensischen Gebiet zu schaden“. Die Führung der Hamas in Damaskus lehnt indes Berichten zufolge derzeit einen Waffenstillstand ab.

Abbas will heute nach Gaza reisen, um dort mit der politischen Führung der islamistischen Bewegungen über ein Ende des Raketenbeschusses zu beraten. Offenbar bestehen innerhalb der Hamas unterschiedliche Haltungen. Während die politische Führung im Westjordanland grundsätzlich bereit ist, einen moderateren Weg einzuschlagen, setzt Dr. Mahmud al-Sahar vom Führungsstab der Hamas im Gaza-Streifen auf eine Fortsetzung des Kassambeschusses.