: Pomp, no circumstances
US-Präsident George W. Bush wird morgen seine Amtseinführung feiern – mit der prunkvollsten und teuersten Zeremonie in der US-Geschichte. Selbst einige Konservative finden das geschmacklos
AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK
Flugabwehrraketen sind installiert. Die Küstenwache wird auf dem nahen Potomac patrouillieren. Jagdflugzeuge stehen bereit, um mögliche Eindringlinge im gesperrten Luftraum abzufangen. Helikopter mit Videokameras kreisen permanent über der Innenstadt. Ganze Straßenzüge werden hermetisch abgeriegelt. 6.000 Polizisten werden im Einsatz sein, dazu 7.000 Soldaten. Eine unbekannte Zahl von Geheimdienstagenten wird sich unter die Feiernden, Zuschauer und Gäste mischen. Die Behörden sind auf Angriffe mit biologischen oder chemischen Waffen und Selbstmordattentäter vorbereitet. Eine eigens außerhalb der Stadt eingerichtete Hightech-Überwachungszentrale wird den beispiellosen Sicherheitseinsatz zu der Amtseinführung von George W. Bush am Donnerstag koordinieren. Eingesetzt wird auch erstmals eine Technik, die Signale von Mobilfunktelefonen unterbricht, um zu verhindern, dass Sprengstoff aus der Ferne gezündet wird.
Selbst für die Bewohner der Hauptstadt, die sich nach dem 11. September an Straßenblockaden, Taschenkontrollen und Terrorwarnungen gewöhnt haben, erreicht dieser Sicherheitswahn eine neue Dimension. Die Stadt wandelt sich zu einer Trutzburg, hinter deren Mauern Bushs Freunde und Gönner die Sektkorken knallen lassen können.
Einwohner, die aus Teilen der Stadt verbannt werden, und Geschäftsleute, die ihre Läden schließen müssen, wünschen sich, dass der Spuk möglichst schnell vorbei ist. Verfechter des öffentlichen Raumes sind erbost, dass man für einen guten Stehplatz an der Paradestrecke vom Kapitol zum Weißen Haus zwischen 15 und 125 Dollar zahlen muss. Einige Friedensaktivisten hoffen, trotzdem ihre Protestplakate in Stellung bringen zu können. Die Stadtväter von Washington sind in Aufruhr, da ihnen das Weiße Haus kurzerhand die Rechnung – 17 Millionen Dollar – für die Sicherheitsaufgaben aufgebrummt hat. Und eine wachsende Schar von Kritikern fragt sich, ob der Präsident in Zeiten des Krieges überhaupt eine solch üppige Party – mit über 40 Millionen Dollar Kosten die teuerste in der US-Geschichte – zu seiner Amtseinführung schmeißen soll, ob dies nicht geschmacklos wirke angesichts täglich sterbender Iraker und GIs. „Dies ist keine Zeit für eine pompöse Feier, Feuerwerk und Cocktails“, mahnte die Washington Post.
Die Befürworter eines rauschenden Festes entgegnen, bei den Kritikern handle es sich ja nur um frustrierte Demokraten. Bush senior springt seinem Sohn zur Seite. „Unser Land kann viele Dinge gleichzeitig tun“, will heißen: feiern und Krieg führen. Das „Amtseinführungskomitee“ verteidigt sich damit, dass unter dem Motto „Die Freiheit zelebrieren, den Dienst ehren“ den US-Streitkräften ein besonderer Platz zukomme. Immerhin wird es ein „Freiheitsfest“ mit Flugschau und einen „Ball des Oberbefehlshabers“ geben, zu dem ausschließlich Soldaten geladen sind, die aus Irak und Afghanistan zurückgekehrt sind oder demnächst dorthin abkommandiert werden.
Nun streitet hier niemand Bush das Recht ab, seinen hart erfochtenen Wahlsieg zu feiern. Doch das „Wie“ spiegelt eine Nation, die sich nie wirklich überlegt hat, wie sie mit einem anhaltenden Krieg umgehen soll und einer Regierung, die bisher eher durch mangelnden Realitätssinn glänzte. Zudem ist all der Militärpomp ein Feigenblatt. Um den Soldaten zu salutieren, wird es die wenigsten Bälle und Dinner geben. Die meisten sind für jene Menschen mit dicken Scheckbüchern reserviert, die Bushs Wahlkampf finanziert haben, für Lobbyisten, die sich Zugang zum Ohr der Regierung erkaufen. Es sei nicht einfach, die Balance zwischen einer verdienten Feier und geschmackvoller Zurückhaltung in Kriegszeiten zu halten, konstatiert selbst die konservative USA Today. „Doch es scheint, als ob die Organisatoren eine Grenze überschritten haben.“
So erinnert man sich dieser Tage, wie andere Kriegspräsidenten gefeiert haben. Wodrow Wilson veranstaltete 1917 eine nüchterne Parade. Franklin D. Roosevelt hielt 1944 eine knappe Rede und lud danach zu einer bescheidenden Zeremonie ins Weiße Haus. Mit Roosevelt sieht sich der selbst ernannte Kriegspräsident George W. Bush gern in einer Linie. Wie dieser will er Völker von Tyrannen befreien, dabei nicht wanken und weichen. Doch anders als dieser verlangt er von seinem Volk keine Opfer. Die Reichen bekommen Steuergeschenke und sein Volk rief er nach „9/11“ dazu auf, mit dem Alltag fortzufahren, so als ob nichts gewesen wäre, und dem Feind durch unnachgiebiges Shoppen die Stirn zu bieten. Es fühlt sich in den USA nun einmal nicht an wie Krieg. Real ist er nur für die GIs im Irak und deren Familien.