: Unis werden umgekrempelt
Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD) zieht erste Bilanz der Hochschulreform: Die Einführung von Langzeit-Studiengebühren zeige Wirkung. In der Föderalismusdebatte bleibt Kraft hart: Bildung müsse Ländersache bleiben
von HOLGER ELFES
Ein Mentalitätswechsel steht den Universitäten und Fachhochschulen in NRW bevor. „Wir bekommen völlig andere Hochschulen“, prophezeite Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD) letzte Woche bei der Vorstellung ihrer Bilanz der Hochschulreform.
Die umstrittene Einführung der Studienkonten und damit die Gebühren für Langzeitstudenten zeigten positive Wirkung, stellte Kraft fest. „Früher, auch zu meinen Zeiten, war das Studium doch für viele Leute Selbstzweck.“ Das ändere sich jetzt massiv. Und umgekehrt forderten die Studenten jetzt auch von ihren Dozenten eine gute und schnelle Ausbildung. Das „Di-Mi-Do-Verhalten“, bei dem Professoren nur an drei Tagen pro Woche anwesend sind, würde bald der Vergangenheit angehören.
Auch die Hochschulen müssten ihre Leistungsfähigkeit stärker unter Beweis stellen, lobte die Ministerin. Werden sie aktuell zu 16 Prozent nach Leistungskriterien vom Land finanziert, so soll dieser Anteil bis 2006 auf 20 Prozent steigen. Die Einwerbung von Drittmitteln für die Forschung oder die Abschlüsse ihrer Absolventen sind solche Kriterien, an denen sich die Unis messen lassen müssen.
Endgültig Schluss sein soll bald mit den traditionellen deutschen Abschlüssen Diplom und Magister. Ab dem Wintersemester 2007/2008 dürfen die so abschließenden Studiengänge an keiner Hochschule in NRW mehr angeboten werden. Im Zuge einer europaweiten Vereinheitlichung, dem so genannten Bologna-Prozess, setzt das Ministerium stattdessen auf die am angelsächsischen Vorbild orientierten Abschlüsse Master (MA) und Bachelor (BA). Auch der klassische Lehramtsabschluss „Staatsexamen“ kommt auf den Prüfstand.
Allerdings stoßen die neuen Abschlüsse BA und MA hierzulande nicht bei allen Wissenschaftlern auf Gegenliebe. Zumal bislang noch einige Verwirrung herrscht, wie der Übergang vom BA (nach drei Jahren) zum MA (nach vier Jahren) praktisch funktionieren soll. Kritiker fürchten, für das weiterführende MA-Studium werde eine Quotierung eingeführt. Kraft bestreitet das: „Es gibt keine Quoten.“ Tatsächlich wird aber aufgrund der nur begrenzt vorhandenen und den Hochschulen zur Verfügung gestellten Mittel nicht jeder Bachelor weiter machen können bis zum MA. An den Fachhochschulen etwa erwartet das Ministerium, dass ein Drittel der Studierenden bis zum Master gelangen wird und vergibt entsprechend seine Mittel. Die Auswahl der Studenten obliegt dann den Hochschulen selbst.
Eine generelle Einführung von Studiengebühren, wie sie derzeit auf Bundesebene diskutiert wird, lehnt Kraft ab – vor allem mit Blick auf die neueste PISA-Studie, nach der gerade in Deutschland die Abhängigkeit von sozialen Statuts und Studienchancen immer stärker wird. „Das würde neue Hürden für Jugendliche aus Arbeiterfamilien aufbauen.“ Zudem würden die Einnahmen aus Studiengebühren den Unis nicht viel bringen. „Das sieht man in Witten-Herdecke, wo es zwar horrende Gebühren gibt, die jedoch nur zu rund zehn Prozent die Privatuni finanzieren können.“
Was die Wünsche der Bundesregierung nach mehr Mitsprache in Bildungsangelegenheiten angeht, bleibt Kraft hart. Mir ihr werde es das nicht geben. „Dies ist eine zentrale Frage in der ganzen Reformdiskussion“, sagt Kraft und positioniert sich damit in der Föderalismusdebatte auf Seiten des Sprechers der Länderfront Edmund Stoiber – gegen ihren NRW-Parteifreund Franz Müntefering. Aufgrund der verhärteten Fronten, so Kraft, tue sich momentan auch nichts in der Frage der Elite-Universitäten. Da das Geld dafür aus Berlin kommen soll, die Kompetenzen aber umstritten sind, bleibe der Geldhahn vorerst einfach zu. Dennoch: Die Schul- und Hochschulpolitik sei für den Bürger von besonderem Interesse und müsse daher auch künftig möglichst dezentral gelenkt werden. Kraft: „Wenn die Länder dieses Themenfeld preisgeben würden, bleibt ihnen eigentlich nicht mehr viel.“