Frauen quälende Aussage erspart

Vergewaltiger gibt im Revisionsverfahren die Taten zu und reduziert seine Strafe auf drei Jahre Haft. Im ersten Verfahren hatte die Verteidigung die Opfer einer Tortur unterzogen

Es geht auch anders: Wenngleich erst bei der Neuauflage des Prozesses gegen Alireza A. (30) wegen zweifacher Vergewaltigung. Und auch erst nach zwei Versuchen des Gerichts, einen Deal zu erreichen, so dass das Revisionsverfahren gestern mehr auf dem Gerichtsflur als im Verhandlungssaal entschieden wurde. „Wenn sie ein Geständnis ablegen, wird sich das erheblich strafmildernd auswirken“, versuchte Richter Wolfgang Göhlich auf den Angeklagten einzuwirken: „Es geht darum, den Frauen eine nochmalige Aussage zu ersparen.“

Im ersten Prozess hatte A. die Vergewaltigungen als freiwilligen Sex dargestellt und die beiden Opfer durch seine Verteidigung einer quälenden Befragung unterziehen lassen. Dennoch hatte er vier Jahre und neun Monate Haft kassiert.

Doch nach nun 16 Monaten Untersuchungshaft, die offensichtlich an seiner Psyche genagt haben, verstand A. den Wink. Über seine Änwältin ließ er dann erklären: „Ich gestehe in vollem Umfang. Ich war in Stolz und Ehre verletzt. Wenn in Persien eine Frau abends einen Mann mit auf ihr Zimmer nimmt, eine Kerze anzündet und sich auf den Schoß setzt, ist alles klar.“ Doch weder Heike L., die A. im März 2003 in ihre Wohnung ließ, noch Kirsten W., die im Herbst 2003 A. nachts zu Hause noch auf ein Gläschen Prosecco eingeladen hatte, wollten Sex. A.: „Ich muss mich aufrichtig entschuldigen.“

Zuvor hatten sich die Prozessbeteiligten bei Geständnis auf drei Jahre Haft geeinigt und eine frühzeitigere Haftentlassung in Aussicht gestellt. Kirsten W.s Nebenklagevertreterin: „Der Sprung von vier Jahren, neun Monaten auf drei Jahre ist sehr groß“, sagte sie. „Ich bin dazu bereit, um meiner Mandantin eine erneute Zeugenbefragung wie in erster Instanz zu ersparen.“ Die Sache solle für sie endlich beendet sein.

Im ersten Prozess hatte A.s Verteidigerin Kirsten W. einer Tortur ausgesetzt. Da sie – außer „nein“ zu sagen – wohl keine körperliche Gegenwehr geleistet hatte, fragte die Anwältin das Opfer: „Hatten Sie dabei einen Orgasmus?“ Da die Frau nach der Vernehmung im Gerichtsflur weinend zusammengebrach, hatte das Gericht die Verteidigerin später scharf attackiert und ihr einen „widerwärtigen Verstoß gegen die Menschenwürde“ vorgeworfen. Diese stellte deshalb zwei Befangenheitsanträge, die aber abgelehnt wurden. Dies rügte wiederum der Bundesgerichtshof. Er hob den Schuldspruch A.s im November 2004 auf und ordnete eine neue Verhandlung an. Begründung: Das Gericht hätte die Fragen gleich beanstanden müssen.

KAI VON APPEN