: Dutschke-Attentäter ohne Akte
DDR-AUFARBEITUNG Die Stasi führte für Josef Bachmann keine IM-Akte, sagt Marianne Birthler und weist Spekulationen zurück. Sie verteidigt die Stasiunterlagenbehörde
MARIANNE BIRTHLER
AUS BERLIN EVA VÖLPEL
Marianne Birthler, Leiterin der Stasiunterlagenbehörde, weist Spekulationen zurück, der Rudi-Dutschke-Attentäter Josef Bachmann könnte Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen sein. „Es gibt zu Bachmann keine IM-Akte“, stellte Birthler am Dienstag auf einer Pressekonferenz klar, auf der sie den Tätigkeitsbericht ihrer Einrichtung präsentierte. Mitarbeiter hätten gezielt nach solchen Unterlagen gesucht, entsprechende Forschungsaufträge hätten vorgelegen.
Birthler reagierte damit auf Äußerungen von Dutschkes Sohn Marek. Der hatte von der Vermutung seines Vaters berichtet, die Stasi könnte hinter den Schüssen auf ihn stecken. Die DDR, so habe sein Vater geglaubt, trieb die Angst um, der antiautoritäre Sozialismuskurs des Studentenführers könnte nach Ostdeutschland schwappen, sagte Marek Dutschke. Rudi Dutschke soll den Verdacht in einem Brief an seine Ehefrau Gretchen geäußert haben, den diese erst nach Dutschkes Tod lesen sollte. Dutschke war im Jahr 1968 von dem Hilfsarbeiter Josef Bachmann niedergeschossen worden. Elf Jahre nach dem Attentat starb er an dessen Spätfolgen.
Birthler wies am Dienstag erneut alle Vorwürfe zurück, ihre Behörde würde unsystematisch und zu langsam arbeiten. Hätte jemand gezielt nach Akten zu Karl-Heinz Kurras gefragt, wäre jederzeit der Zugriff ermöglicht worden. Ihre Institution, so Birthler, konzentriere sich auf die Erschließung von Unterlagen, für die das bisher weder unter sach- noch personenbezogenen Aspekten geschehen sei. Das sei bei den Kurras-Unterlagen nicht der Fall gewesen. Die Information, dass der Polizist und Todesschütze des 1968 ermordeten Benno Ohnesorg im Dienste der Stasi stand, war durch Zufall in einem anderen Forschungsprojekt herausgekommen.
Auf die Frage, ob die Stasiunterlagenbehörde zu wenig zu den Westaktivitäten der Stasi forsche, verwies Birthler auf zahlreiche Publikationen, die dazu in jüngerer Zeit erschienen seien. „Es gibt kein direktes Forschungsprojekt zur Westberliner Polizei“, sagte Birthler. Dennoch habe man „das Thema auf dem Bildschirm“, sagte einer ihrer Mitarbeiter. Die Behörde habe zum Beispiel zur Anwerbepraxis der Stasi unter Westberliner Jugendlichen geforscht, die der ostdeutsche Geheimdienst für den Polizeidienst beim Klassenfeind begeistern wollte.
Birthler betonte, in der Debatte um den Todesschützen Kurras und die 68er gehe ein zweiter Aspekt fast unter: „Es ist mindestens ein ebenso großer Skandal, dass jemand wie Kurras so lange auf einer Schlüsselstellung der Westberliner Polizei saß.“ Kurras habe wichtige Informationen in den Osten liefern können.