K. O.-Tropfen im Kakao

LIQUID ECSTASY Frauennotrufe und Ministerien starten Kampagne gegen die „Partydroge“. Ihr Ziel ist es, die Dunkelziffer zu senken und mögliche Opfer, Polizei und Mediziner über die Gefahren aufzuklären

Der Körper schmerzt, der Unterleib ist wund, das Gedächtnis ein schwarzes Loch

Aufwachen und wissen: Etwas ist geschehen. Der Körper schmerzt, der Unterleib ist wund, das Gedächtnis ein schwarzes Loch. Immer öfter fallen Frauen Tätern zum Opfer, die so genannte K. O.-Tropfen einsetzen, um sie zu betäuben und zu missbrauchen. In Schleswig-Holstein startet nun eine Aufklärungskampagne, an der sich mehrere Ministerien und der Landesverband der Frauennotrufe beteiligen. Dieses Bündnis sei bundesweit einmalig, so Ursula Schele vom Landesverband der Frauennotrufe. Die Aktion soll mögliche Opfer ebenso wie Polizei und Mediziner über die Gefahren aufklären – damit mehr Täter erwischt werden.

„Wir brauchen keine neuen Gesetze, aber es müssen mehr Fälle gemeldet werden“, sagte Justizminister Uwe Döring (SPD). Zurzeit bleiben die meisten Taten im Dunkeln: Eine Umfrage unter mehreren Frauennotrufen bundesweit ergab 118 Fälle, von denen 32 angezeigt wurden, am Ende stand nur eine Verurteilung. In Bremen wurden K. O.-Tropfen unter 150 Vergewaltigungen einmal nachgewiesen. Die Fachleute gehen von wesentlich höheren Zahlen aus – doch genaue Angaben wollte Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht (SPD) nicht machen, Döring sprach von „gefühlter Zunahme“. Ursula Schele erklärte, bei den Notrufen sei das Problem lange bekannt: „Wir haben erst nicht viel gesagt, um keine Nachahmungstäter zu ermutigen.“

Der Drogencocktail, der auch als „Liquid Ecstasy“ bekannt ist, obwohl er chemisch nichts mit Ecstasy zu tun hat, lässt sich nur wenige Stunden im Blut oder im Urin nachweisen. Allerdings sind bis zu vier Wochen Spuren im Haar zu finden. In Schleswig-Holstein machen die Institute für Rechtsmedizin in Kiel und Lübeck entsprechende Untersuchungen – sie sind rund um die Uhr geöffnet. Die Kampagne will Frauen bewegen, sich schnell zu melden: Dann sei die Chance auf Aufklärung hoch. Liegt eine Tat zu lange zurück, um sich beweisen zu lassen, raten die Notrufe nicht zum Gang zur Polizei, sondern versuchen, den Opfern therapeutisch zu helfen – oft schwierig, da sie sich nicht an Details erinnern, aber von Schamgefühlen geplagt werden. Einige fürchten auch, dass die Tat gefilmt wurde und im Internet kursiert – eine realistische Angst, gleichzeitig aber eine Chance, die Täter zu ermitteln.

K. O.-Tropfen gelten als Partydroge, die von Unbekannten ins Glas gegossen wird. Die Opfer sind betäubt, ihre Körper funktionieren aber noch – sie scheinen beim Sex aktiv mitzumachen. Laut Schele passieren erschreckend viele Taten im Freundes- oder Familienkreis. So wurde ein Mann in Flensburg verurteilt, der der 15-jährigen Freundin seiner Tochter Tropfen gab – er mischte sie in eine Tasse Kakao. ESTHER GEISSLINGER