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Archiv-Artikel

„Die kleinen Dinge sind leichter geworden“

Ein Neuköllner Polizeiabschnitt kooperiert seit Sommer 2004 mit dem Moscheeverein Ditib. Größtes Manko bei diesem Community Policing: Muslime kommen nicht mit ihren Problemen zur Polizei, sagt Abschnittsleiter Jens Splettstöhser

taz: Herr Splettstöhser, seit einem dreiviertel Jahr arbeitet Ihr Abschnitt 54 in der Sonnenallee mit dem türkischen Moscheeverein Ditib und der Türkischen Gemeinde zusammen. Wie läuft die Kooperation?

Jens Splettstöhser: Wir sind zufrieden. Man darf von der Kooperationsvereinbarung nicht den ganz großen Wurf erwarten. Manchmal genügt es schon, wenn die kleinen Dinge des Lebens leichter werden.

Zum Beispiel?

Nachbarschaftsstreitigkeiten konnten geschlichtet werden. Mal waren Anwohner genervt, weil Kampfhunde frei im Hausflur herumliefen. Andere fühlten sich durch laute Gebete von Moscheebesuchern gestört.

In der Richardstraße gab es Probleme mit einer Jugendgang.

Ja, der R 44. Nun hat die Ditib-Moschee in der Richardstraße 112 einen Jugendraum zur Verfügung gestellt. Was noch fehlt, sind Computer und andere Spielgeräte. Zurzeit bemühen wir uns zusammen mit Ditib, vom Jugendamt Sachmittel zu bekommen. Auch die Sozialarbeiter von Gangway haben wir kennen gelernt. Die haben es geschafft, 12 Mitglieder der Jugendgruppe in ein Sportprogramm zu bringen. Ich denke, damit ist das Problem beseitigt.

Was klappt noch gar nicht?

Die Sprechstunden, die wir gemeinsam mit Ditib alle 14 Tage in der Moschee abhalten, haben kaum Zulauf. Ganz selten kommt mal jemand mit einem echten Problem. Ursprünglich sollte bei der Sprechstunde immer der Dienstgruppenleiter des Abschnitts 54 sowie ein türkisch sprechender Beamter und ein Vertreter von Ditib anwesend sein. Die geringe Nachfrage hat dazu geführt, dass nun auch die Leute von Ditib wegbleiben. Die Polizisten sitzen jetzt ganz allein in der Moschee.

Was werden Sie tun?

Wir werden die Sprechstunde in nächster Zeit bei uns auf dem Abschnitt 54 abhalten. Wenn auch das nichts fruchtet, müssen wir andere Wege gehen.

Wäre das Moscheenprojekt damit gescheitert?

Auf keinen Fall. Aber wir müssen uns neue Formen überlegen. Vielleicht sollten wir Veranstaltungen zu bestimmten Themen anbieten und außer Ditib und Türkischer Gemeinde andere Migrantenvereine einbeziehen. Im Laufe dieses Jahres soll das Projekt auch wie geplant auf andere Abschnitte in Neukölln und Kreuzberg ausgeweitet werden.

Was sind in Ihrem Zuständigkeitsbereich die Hauptprobleme?

In erster Linie haben wir mit dem Gewaltproblem in verschiedensten Formen zu kämpfen: Raubtaten, gefährliche Körperverletzung, unbefugter Waffenbesitz. Jugendgruppen, in der Mehrzahl Migrantenkinder, bleibt aufgrund kaum vorhandener Chancen auf dem Arbeitsmarkt, schlechter Schulbildung und mangelnder Sprachkenntnisse als Aktionsraum häufig nur noch die Straße.

Der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) wird nicht müde, vor dem Entstehen von Parallelgesellschaften zu warnen. Sehen Sie das auch so?

Ich gehe mit Buschkowsky konform, dass es in Neukölln Gegenden gibt, wo die Entwicklung in diese Richtung geht und dringend gegengesteuert werden muss.

Gibt es Dinge im Kiez, die durch die Kooperation mit Ditib spürbar besser geworden sind?

Der Umgang miteinander hat sich verbessert. Meine Beamten haben ihren Horizont mächtig erweitert. Sie können zwischen dem muslimischen Glauben und politischen Strömungen wie dem Islamismus differenzieren und haben keine Schwellenängste, in eine Moschee zu gehen, um dort Probleme anzusprechen.

Und umgekehrt?

Ich hoffe, dass sich auch Ditib leichter an uns wenden kann, als früher.

Interview: PLUTONIA PLARRE