: Genpflanzen in den Griff bekommen
Die neue Agrarkommissarin Fischer Boel denkt über Rahmengesetz für den Anbau von Gensaaten und die Haftung für Verunreinigung nach. Abkehr von nationalen Alleingängen. Grüne begrüßen den Vorstoß, Bauernverband auch. Was nun?
VON SASCHA TEGTMEIER
Einem fliegenden Gensamen ist es egal, in welchem Land er sich niederlässt. Daher soll es nun ein verbindliches Rahmengesetz der Europäischen Union zum Umgang mit genmanipulierten Pflanzen geben. Das kündigte gestern EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel an. „Anfang nächsten Jahres könnte das Gesetz in Kraft treten“, sagte ihr Sprecher, Michael Mann, der taz. Zunächst sollten die Mitgliedstaaten nach Brüssel melden, wie sie mit Gentech umgehen.
In dem Rahmengesetz möchte Fischer Boel regeln, dass genmanipulierter Raps oder Mais in der gesamten Europäischen Union von ihren traditionellen Artgenossen strikt getrennt werden. „Wenn sich die Pflanzen einmal mischen, bekommt man sie nie wieder auseinander“, sagte die rechtsliberale Politikerin.
Über die Ankündigung eines Rahmengesetzes freuen sich sowohl Gentech-Gegner als auch die Gentech-Lobby – aus unterschiedlichen Gründen. Bei der Umsetzung des Gesetzes ist dermaßen viel Streit programmiert, dass Fischer Boels Vorgänger Franz Fischler lieber die Finger von einem Rahmengesetz ließ.
„Mit so einem Gesetz hört endlich das babylonische Gen-Gewirr zwischen den Mitgliedstaaten auf“, sagte Benny Härlin von dem Gentech-kritischen Verband „Save our Seeds“ der taz. Die Ankündigung der Agrarkommissarin wertet er aber nur als „mittelfristiges Signal“. Bis das Gesetz in Kraft trete, könne es noch lange dauern.
Auch die grüne Europaparlamentarierin Hiltrud Breyer begrüßt den Vorstoß von Fischer Boel: „Die Kommission ist endlich aufgewacht.“ Doch jetzt würde sich entscheiden, ob die Kommissarin ein Geschenk an die Gentech-Lobby machen möchte. „Der Teufel liegt nun im Detail“, so Breyer.
Tatsächlich würden diese Details in Europa verbindlich bestimmen, wie mit dem Nebeneinander von genmanipulierten Pflanzen und traditionellem Saatgut umgegangen werden soll. Größter Streitpunkt ist dabei, wer haftet, wenn ein Genbauer andere Felder mit manipulierten Samen verseucht. Gentech-Gegner wollen, dass dabei das Verursacherprinzip gilt – der Genbauer müsste dann haften. So ist es seit Anfang des Jahres in Deutschland geregelt. Darüber freilich beschwert sich der Deutsche Bauernverband (DBV). „Das ist indiskutabel“, sagte DBV-Sprecherin Anni Neu. Angesichts des Risikos sei es nicht empfehlenswert, Gentech anzubauen.
Der Bauernverband unterstützt ein Rahmengesetz, will die Haftung aber mit einem Fonds regeln. Dann wäre nicht der einzelne Bauer, sondern die Gentech-Wirtschaft haftbar. Diese Regelung gilt momentan in Dänemark – dem Herkunftsland der Kommissarin. „Das Verursacherprinzip müsste die Basis sein“, sagte EU-Parlamentarierin Breyer dagegen. Fischer Boel möchte bei ihrem EU-Rahmengesetz diese Klippe umschiffen. „Die Frage der Haftung bleibt voraussichtlich Ländersache“, so ihr Sprecher Michael Mann.
Ein weiterer Streitpunkt ist, ob das strikte deutsche Recht weiter bestehen kann oder auf einen niedrigeren europäischen Standard gesenkt werden müsste.