Ein Angriff auf die Würde
POLIZEIAFFÄRE Ein Polizist verklagt die Polizeiführung: Seine Festnahme durch das MEK im Polizeipräsidium sei rechtswidrig. Von seinen Vorgesetzten fühlt er sich gemobbt
„Maßnahmen waren unverhältnismäßig, willkürlich und entwürdigend“
Anwalt Ernst MedeckeVON KAI VON APPEN
Kamiar M. macht ernst: Der Polizist hat über seinen Anwalt Ernst Medecke beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Polizeipräsident Werner Jantosch und seine Führungsriege eingereicht. Der Vorwurf: Verletzung von Dienstrecht und Fürsorgepflicht. Der 30-Jährige fühlt sich gemobbt und in seiner Menschenwürde verletzt. Zudem soll versucht worden sein, ihn mit strafrechtlich relevanten Methoden wie Nötigung und Beleidigung aus dem Polizeidienst zu drängen.
Kernpunkt der Klage ist die Festnahme von M. am 12. September 2007 im Polizeipräsidium. Damals hatte ihn Landespolizeidirektor Kuno Lehmann zum Rapport zitiert, um eine „Gefährderansprache“ abzuhalten. Gegen M. war zwei Tage zuvor eine Anzeigen wegen sexueller Nötigung erstattet worden. In dieser Sache ist Kamiar M. mittlerweile vom Amtsgericht in erster Instanz freigesprochen worden.
Auf dem Flur vor Lehmanns Büro hielten sich damals mehrere Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) in zivil auf, die sehen konnten, dass M. in Begleitung eines Kollegen und ohne Dienstwaffe erschienen war. Als Polizeiführer Lehmann dann zur Audienz bitten ließ, forderte er M. auf, dieser möge doch selbst kündigen. Dadurch könne er sich einen Rausschmiss ersparen. Als M. ablehnte, sprach Lehmann eine Suspendierung aus und verlangte den Dienstausweis. Im selben Moment – wie auf ein Zeichen hin – stürmten die bewaffneten MEK-Beamten brüllend das Büro. Kamiar M. will instinktiv die Hände hoch genommen haben, mindestens ein MEK-Beamter habe mit der Waffe auf ihn gezielt – ein roter Laserstrahl markierte einen „Einschusspunkt“ auf M.s Brustkorb.
Kamiar M. musste sich zunächst auf die Knie hocken, dann auf den Bauch legen, die Hände bekam er auf dem Rücken gefesselt. Obwohl es im Polizeipräsidium Fahrstühle gibt, habe man ihn „demonstrativ“ durch das Treppenhaus des Präsidiums, mitten durch Publikums- und Dienstverkehr ins Untergeschoss geführt. Dort musste er sich vor mehreren Beamten ausziehen, ehe er in eine Zelle gebracht wurde. Seine Wohnung sei ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss durchsucht worden, obwohl keine „Gefahr in Verzug“ vorgelegen habe.
Für M.s Anwalt Medecke ist der Ablauf, die Art und Weise dieser Festnahme – das entwürdigende Fesseln, das Ausziehen und das Abführen durch das Treppenhaus – ein „offensichtlicher Verstoß gegen rechtstaatliche Grundsätze“. Damit sei die Würde seines Mandanten „erheblich und nachhaltig verletzt worden“, die Maßnahmen seien „unverhältnismäßig, willkürlich und absichtlich entwürdigend“ gewesen.
In einem Schriftwechsel mit M.s bisherigem Rechtsanwalt, Ex-Innenstaatsrat Walter Wellinghausen, hat die Polizeiführung die Verantwortung für den Showdown bestritten. Lapidar behauptete sie, die „Sachleitung“ habe bei der Staatsanwaltschaft gelegen. Was diese wiederum bestreitet. Demnach lag die Festnahme allein im „Verantwortungsbereich der Polizei“.
Dies klingt nachvollziehbar: Aus einem Polizeivermerk geht hervor, dass „unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens“ Kamiar M.s Entlassung in jedem Fall betrieben werden sollte. „Die im Rechtsstaat verankerte Unschuldsvermutung bleibt offensichtlich außen vor“, folgert nun Anwalt Medecke. Sein Mandant sei „als Polizist nicht gewollt“. Das Verwaltungsgericht soll Kamiar M. nun rehabilitieren – sowie feststellen, dass das Vorgehen der Polizeiführung verfassungswidrig und die Festnahme am 12. September 2007 rechtswidrig waren.