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Archiv-Artikel

„Enge sachliche Zusammenarbeit“

Am Sonntag berät der Bremer Koalitionsausschuss über die mögliche Abkehr von der zwangsweisen Brechmittelvergabe. Ein Konflikt, den man in Bayern nicht kennt: „Es kommt doch sowieso alles heraus“

Von ede

bremen taz ■ „Ich kann und darf nichts zu der Einigung sagen“, entfährt es dem Sprecher des Innenressorts, Markus Beyer. Es geht um die weitere Praxis in Sachen Beweissicherung an mutmaßlichen Drogendealern. Zu Wochenbeginn erwarten Fraktionen und Bürgerschaft Klarheit über die künftige Bremer Linie, nachdem es einen Todesfall gab.

Die SPD hat sich klar dagegen ausgesprochen, die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln mit Magensonde weiterzuführen. Die CDU will, bevor sie von der bisherigen Praxis abschwört, den Obduktionsbericht abwarten, der Aufschluss über die exakte Todesursache des Anfang Januar nach Brechmitteleinsatz verstorbenen Afrikaners geben soll. „Das kann Wochen oder Monate dauern. Ob dann ein klares Ergebnis drin steht, weiß niemand“, sagte dazu gestern Justizstaatsrat Ulrich Mäurer. Die SPD-Fraktion macht wegen des nicht abschätzbaren Risikos bei der Zwangsmaßnahme Druck für eine schnelle Entscheidung.

Am Sonntag wird der Koalitionsausschuss von SPD und CDU über – so wird erwartet – eine Kompromisslinie beraten. Sie könnte auf die freiwillige Vergabe von Abführmitteln während Gewahrsamnahme oder Untersuchungshaft hinauslaufen. Beides gilt als rechtlich möglich – und aus SPD-Sicht geboten. Denn die Maßgabe heißt: Drogendealer überführen – aber ohne Magensonde. Das Einführen des Schlauches gegen den Widerstand eines Tatverdächtigen ist medizinisch höchst strittig weil sehr riskant.

Im Vorfeld der Abstimmung am Mittwoch über den Misstrauensantrag der Grünen gegen CDU-Innensenator Thomas Röwekamp erwarten die Genossen von diesem zudem eine Entschuldigung. „Der Senator hat bereits in der Innendeputation und auf der öffentlichen Pressekonferenz Mitte letzter Woche bedauert, dass es zu dem tragischen Todesfall gekommen ist“, sagt dessen Sprecher Markus Beyer. Er betont zugleich „die enge sachliche und fachliche Zusammenarbeit des SPD-geführten Justizressorts mit der CDU-Innenbehörde“. Über fachliche Lösungswege „muss aber der Koalitionsausschuss beraten und entscheiden.“

Im Vorfeld haben die Bremer Ressorts Inneres und Justiz jede Menge Informationen aus anderen Ländern eingeholt – darunter auch aus Bayern. Dort werden traditionell keine Brechmittel vergeben. „Zu gefährlich“, begründet dies der Sprecher des Innenministeriums, Rainer Riedl. Zum bremischen Phänomen des mutmaßlichen Straßendealers, der Kokainkügelchen – und damit Beweismittel – verschluckt, sagt der Sprecher des bayerischen Innenministeriums nur: „Wir sind bemüht, dass es zu einem Schlucken nicht kommt.“ Der klassische Bremer Grund, im Jahr rund 100 und mehr Brechmitteleinsätze durchzuführen, ist in München also unbekannt. Wieso das so ist, kann niemand erklären. Das Bremer Justizressort weist in diesem Zusammenhang lediglich darauf hin, dass Frankfurt, Hamburg und Berlin die Bremer Problematik wohl teilen.

Doch müssen mutmaßliche Drogendealer in Bayern durchaus mit Zwangsmaßnahmen rechnen. Dies betrifft aber nur Drogenkuriere. Nur sie trügen die Drogen lange genug im Körper, dass sie den Darm erreichten. Seien sie aber erst einmal erwischt und per Röntgen sogar durchschaut, so wählten viele von ihnen meist freiwillig das Abführmittel. „Es kommt ja sowieso alles im wahrsten Sinne heraus“, sagt Riedl. Der lange Verbleib der Drogen im Körper aber erhöhe das gesundheitliche Risiko beispielsweise bei geplatzten Drogenhüllen – ohne dass der erhoffte Vorteil, Geldeinnahme durch Drogenverkauf, realisiert werden könne. Über gesundheitliche Risiken klären in Bayern in der Regel reguläre Ärzte auf. ede