: Orientierung ohne Erfolg
Der VfL Wolfsburg muss sich nach dem 1:2 gegen Dortmund mit alten Zweifeln plagen. Dem Trainer fehlen „Rhythmus, Ordnung, Aggressivität“, und es stellt sich die Frage: Ist man gut genug?
von Peter Unfried
Ist ja klar, dass man Thomas Strunz nun die Worte im Mund herumzudrehen versucht. 1:2 gegen den Abstiegskandidaten Borussia Dortmund verloren: Hatte der neue Manager mit seiner Ankündigung, man spiele um den Titel mit, zu viel „Druck“ auf das Team des VfL Wolfsburg ausgeübt? Oder hat er sich schlicht geirrt, was das Potenzial des Teams angeht? Ach was, sagte Strunz: „Meine Meinung über die Qualität der Mannschaft kann nicht durch ein Spiel gekippt werden.“
Strunz (36) hat sich in Wolfsburg als erfolgsorientierter, junger Fußballmanager einzuführen versucht. Einer, der die Reputation eines Ex-Nationalspielers und Europameisters von 1996 mit dem Know-how eines Spielerberaters und dem Manager-Speech aus Führungskräfteseminaren mischt. In seinem Premierevorwort im Stadionheft definierte er eine kühne Verbindung zwischen „Erfolgsorientierung“ der VW-Tochter VfL Fußball GmbH und der „sozialen Verantwortung gegenüber den VW-Mitarbeitern“.
Nach dem Spiel kehrte er sicherheitshalber zu den einfachen Fußballstandards zurück: Sieben Punkte Rückstand auf Bayern und Schalke seien ein „Fakt“, aber für Grundsätzliches sei es nach dem ersten Rückrundenspieltag „zu früh“.
Mehr als eine Floskel ist allerdings der Hinweis, dass er sich zu den Leistungen einzelner Spieler nicht zu äußern gedenke. Tatsächlich dient es der Erfolgsorientierung ja nicht immer, wenn der Trainer in diesem Bereich nicht die Deutungshoheit hat. So ist also Erik Gerets weiter der Einzige, der den potenziellen Weltklassefußballer Andres d‘Alessandro nicht nur auswechseln, sondern das auch kommentieren darf. Dass der bei seinem Abgang das Ritual des beleidigten Stars inszenierte? „Das weißt du ja, was passiert, wenn der sauer ist“, sagte Gerets. „Wichtig ist, dass der Kleine wieder seine Form findet.“
Zum einen hatte d‘Alessandro wegen Leistenproblemen eine nicht optimale Vorbereitung. Zum zweiten habe ihn der 0:2-Rückstand zu einer Art taktischer Änderung gezwungen. „Da musst du die Bälle vors Tor schießen“, sagte der Trainer. Verglichen mit den jüngsten positiven Entwicklungen im deutschen Fußball – und beim VfL – ist das ja nun eher eine bescheidene Strategie. Richtig ist aber sicher, dass der beste Kombinationsfußballer der Liga dafür kaum geeignet ist.
Allerdings muss man Gerets zugestehen, dass das Grundproblem des VfL darin bestand, dass es mit dem Kombinationsfußball auch mit d‘Alessandro nicht weit her war. Ein paar wenige gute Phasen, aber Thiam und d‘Alessandro kriegten gegen das gut arbeitende BVB-Mittelfeld (Kruska-Kehl-Kringe) das Spiel nicht grundsätzlich dominiert. „Wir haben den Druck, den wir normalerweise machen, erst spät entfacht“, sagte Thiam.
Herauskam Quirogas Tor zum 1:2 (82.). Mehr nicht. Martin Petrov hatte links gegen den Rekonvaleszenten Christoph Metzelder seinen Auftritt erst nach 88 Minuten. Es war ein Sololauf, der rechts an der Mittellinie begann, erst unmittelbar vor Berühren des linken Torpfostens endete und an seine spektakulären Spiele der Vorrunde erinnerte. Ansonsten ließ er sich nach interessantem Beginn brav kontrollieren.
War das in jeder Beziehung substantiell angeschlagene Dortmund, zudem ohne Rosicky und Ewerthon, vielleicht so gut, so clever, wie man es hinterher die Welt glauben machen wollte? Ach was, sagte Pablo Thiam: „Die waren total verunsichert. Wir haben sie aufgebaut.“ Dortmunds Mittelfeldspieler Florian Kringe war vielleicht nicht so „unglaublich gut“, wie sein Trainer Bert van Marwijk fand. Gut war er schon, aber wie Karhan und Quiroga sich vor Smolareks 0:1 (55.) von ihm ausspielen ließen – das sah ein bisschen grotesk aus. Gerets fehlten „Rhythmus, Ordnung, Aggressivität“, die Spieler seien „nicht als Mannschaft aufgetreten“.
Klar, dass jetzt wieder kollektive Zweifel nagen. Ist man gut genug, „die Sachen, die uns noch fehlen“ (Thiam) so schnell zu erlernen, um zumindest um Platz drei bis fünf zu spielen? Auch die nächsten beiden Spiele (in Freiburg, gegen Bremen) werden das nicht abschließend klären.