: Viertklässler sind viertklassig
Bei Länder-Vergleichstests in Deutsch und Mathe schneiden hiesige Viertklässler schlecht ab. Große Leistungsunterschiede auch innerhalb der Stadt. Böger will soziale Brennpunkte stärker fördern
VON SABINE AM ORDE
Bildungssenator Klaus Böger (SPD) will ein neues Aktionsprogramm für Schulen in sozialen Brennpunkten auflegen. „Die gravierenden Defizite in der Bildung schädigen den Standort Berlin“, sagte er gestern. In Berlin entwickelten sich „Populationen von Schülern, die nicht annähernd den Anforderungen entsprechen, die eine Industriegesellschaft stellt“. Auf diese große Herausforderung müsse das Land eine Antwort finden. Das Programm soll die betroffenen Schulen mit mehr Personal ausstatten (siehe Kasten).
Dazu fordert Böger bei den derzeit laufenden Haushaltsverhandlungen zusätzliche Mittel aus dem Landeshaushalt. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat gestern allerdings schon abgewinkt. „Den Bildungsetat aufzustocken ist nicht möglich“, sagte sein Sprecher Matthias Kolbeck. Schließlich habe man sich auf einen Sanierungskurs festgelegt. Aus Sarrazins Sicht gebe es zudem noch „Effizienzreserven“ im hiesigen Bildungssystem. Das sieht Böger anders: „Hier kann man nichts mehr umschichten.“
Rückendeckung für seine Forderung erhofft sich der Bildungssenator von den Ergebnissen der „Vergleichsarbeiten in Jahrgangsstufe 4“ (Vera), die sieben SPD-regierte Bundesländer gemeinsam durchgeführt haben – und bei der die hiesigen Viertklässler schlecht abschnitten. 22.206 Berliner Viertklässler haben sich an den flächendeckenden, verpflichtenden Vergleichsarbeiten beteiligt, die auch in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Schleswig-Holstein durchgeführt wurden. In allen sieben Bereichen der Fächer Deutsch und Mathematik liegen die Leistungen Berliner SchülerInnen unter dem Durchschnitt. Allerdings sind solche Vergleiche problematisch, denn Vera ist nicht als Ländervergleich angelegt.
Ursache für das schlechte Abschneiden sieht Böger vor allem in der schwierigen Sozialstruktur in der Stadt. Im Vergleich zu den anderen beteiligten Bundesländern gibt es hier besonders viele arme und bildungsferne Familien, auch die Zahl der Migrantenfamilien ist groß. Fast die Hälfte aller Schulen liegt in sozialen Brennpunkten. Deutlich werde bei Vera auch, so Böger, dass es innerhalb Berlins „krasse und gravierende Unterschiede“ gibt. „So klar ist das bisher in keiner Studie belegt worden.“ Hier müsse man zu einer „Ressourcensteuerung“ kommen.
Die eigentliche Aufgabe von Vera aber ist eine andere. Sie soll den einzelnen Schulen Daten über ihre eigenen Leistungen liefern und so die Qualitätssicherung anregen. „Die Schulen sollen fragen: Woran liegt das, und was können wir anders machen?“, sagte Böger. Denn die soziale Herkunft der Kinder erklärt nicht alles. Zum Teil gebe es große Unterschiede zwischen vergleichbaren Schulen und sogar zwischen Parallelklassen. Ein Beispiel: In der Klasse 4a einer Schule liegen im Feld Sprachbetrachtung 57 Prozent der SchülerInnen im nicht ausreichenden Fähigkeitsniveau, wie es die Forscher nennen. In der Parallelklasse 4c sind es nur 13 Prozent. Diese Ergebnisse, so Böger, müssten nun in den Schulen diskutiert werden. Aus Sicht der FDP-Bildungsexpertin Mieke Senftleben muss hier die Schulaufsicht tätig werden: „Viele Schulen können einen Anschub gut gebrauchen.“ Die CDU forderte eine verstärkte Sprachförderung der Migrantenkinder vor Schuleintritt.