Immer hereinspaziert!

Ab Dienstag können Sie sich für die WM-Karten-Bestellung registrieren lassen. Das geht zwar alles ganz schnell und einfach per Internet – hat aber komplizierte finanzielle und soziale Folgen

VON STEFAN KUZMANY

Die ersten Gäste haben sich schon angekündigt, aber keine Panik, es ist noch zu früh, das Gästebett zu beziehen: erst im Sommer 2006 werden sie anreisen. Zur Fußballweltmeisterschaft in Deutschland. Und die ist jetzt schon stressig.

Denn selbstverständlich erwarten die Gäste nicht nur Schlafgelegenheit und Frühstück, sondern auch den Besuch eines, wenn nicht gar mehrerer Spiele. Also Karten vorbestellen und hoffen. Das ist ja auch alles ganz einfach (siehe Kasten).

Ist es aber dennoch nicht. Jedenfalls nicht für Menschen, die erstens nie in ihrem Leben ein Fußballstadion besucht haben und zweitens über ein begrenztes Budget verfügen. Zum ersten Problem: es gibt Karten in vier Kategorien zu bestellen. Ist es nun wirklich notwendig, sich für Karten der ersten Kategorie zu bewerben, das sind jene Plätze, die sich an den Seitenlinien befinden (100 Euro für ein Vorrundenspiel bis 600 Euro beim Finale)? taz-Stadionexperten sind sich da nicht so sicher. Auch Plätze der zweiten Kategorie (60 bis 360 Euro), das sind jene in den vier Ecken des jeweiligen Stadions, seien durchaus nicht zu verachten – jedenfalls im Vergleich zu denen der Kategorie drei (45 bis 220 Euro), weit oben hinter den Toren gelegen, oder Kategorie vier (35 bis 120 Euro).

Von den Vierer-Plätzen aus sehe man eigentlich gar nichts, nur den Rücken des Torhüters, und auch diesen möglicherweise nur mit einem Opernglas. Das wiederum komme allerdings auf das Stadion an – in zwölf Stadien wird gespielt. Und das wirft gleich die nächsten Fragen auf: sollte man sich für Spielorte in Wohnortnähe (also Großstädten) bewerben, obwohl diese eventuell dem größten Ansturm ausgesetzt sind? Oder doch lieber in Nürnberg, Leipzig und Kaiserslautern?

Und dann das Geld: Bei der Bewerbung um Tickets muss bereits die Kreditkartennummer angegeben werden. Sollte man nun hoffen, dass alle Wünsche in Erfüllung gehen und man also zu viert beim Finale am Spielfeldrand in Berlin sitzen darf (macht 2.400 Euro) – oder Letzteres eher fürchten? Wie dem auch sei: am 15. April wird ausgelost, wer Karten aus der ersten Bestellphase bekommt und wer nicht. Und dann wird prompt die Kreditkarte belastet. Wer dann, vom eigenen Glück überrascht und plötzlich insolvent, die Tickets verkaufen will, darf das nicht. Denn der Weiterverkauf ist verboten und die Eintrittskarte mit einem Computerchip ausgestattet, auf dem der Name des Inhabers gespeichert ist. „Hochwertige Nachhaltigkeit, da dieses elektronische Zugangssystem über das Turnier hinaus erhalten bleibt“, freut sich das WM-Organisationskomitee. Alle anderen ärgern sich.

Letztlich bleiben nur zwei Möglichkeiten, die WM angemessen zu erleben: entweder man verbessert sein Einkommen bis 2006 erheblich und nimmt an den „kommerziellen Hospitality“-Programmen der Fifa teil – „erstklassige und privilegierte Incentive-Programme“ mit „hochwertigen Hospitality-Dienstleistungen“. Auf Deutsch: Mit neun Freunden zu allen Spielen in Berlin für 156.000 Euro, Champagner und Parkplatz inklusive. Oder aber: man kauft sich ein neues TV-Gerät.