Rechtsstreit blockiert Darfur-Prozesse

Kofi Annan nimmt UN-Untersuchungsbericht zu Kriegsverbrechen in Darfur entgegen. Widerstand der USA gegen eine Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofes behindert das weitere Vorgehen der UNO, während der Krieg weitergeht

VON DOMINIC JOHNSON

Prinzipienstreit behindert ein entschlossenes Vorgehen gegen Kriegsverbrecher in der westsudanesischen Region Darfur. Die USA sind dagegen, dass Darfurs Krieg vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag kommt. Dies ist jedoch eine Hauptforderung internationaler Menschenrechtler.

Gestern sollte UN-Generalsekretär Kofi Annan den Bericht einer UN-Untersuchungskommission zu Darfur entgegennehmen. Der Bericht bleibt unter Verschluss und wird Sudans Regierung vorgelegt, bevor er nach UN-Angaben „um den 1. Februar herum“ an den UN-Sicherheitsrat geht und veröffentlicht wird. Neben der Frage, ob das Geschehen in Darfur als „Völkermord“ zu qualifizieren ist oder lediglich als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, soll das UN-Team auch Empfehlungen zur internationalen Strafverfolgung der Täter machen.

Beobachter gehen davon aus, dass der Bericht eine Reihe von Alternativen unterbreiten wird: Sudanesische Gerichtsverfahren; ein UN-Sondertribunal nach dem Modell der bestehenden Gerichtshöfe für Exjugoslawien und Ruanda; oder Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Letzteres ist der Favorit von Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch und amnesty international.

Die USA, die den Strafgerichtshof prinzipiell ablehnen, sind dagegen. „Wir werden Versuche der internationalen Gemeinschaft, den Sicherheitsrat als Mittel zur Legitimierung des IStGH zu verwenden, nicht unterstützen“, sagte letzte Woche der US-Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen, Pierre Prosper. Eine Anrufung des IStGH im Falle Darfur ist nur durch den UN-Sicherheitsrat möglich, weil Sudan dem IStGH-Statut nicht beigetreten ist. Sollten die USA eine solche Anrufung verhindern, würden sie ihre Prinzipien gegenüber dem Strafgerichtshof bestätigen, nicht aber gegenüber Darfur. Den Krieg dort bezeichnete der US-Kongress letztes Jahr offiziell als „Völkermord“.

„Viel wird jetzt von der europäischen Position abhängen und wie fest die Europäer zum Strafgerichtshof stehen“, schätzt die Sudan-Spezialistin Leslie Lefkow von Human Rights Watch und nennt Frankreich, Großbritannien und Dänemark als führende EU-Unterstützer des IStGH in dieser Frage. Für eine einheitliche EU-Haltung reicht das allerdings nicht. Deutschland erwägt nämlich, eventuell doch die von der US-Regierung ins Spiel gebrachte Alternative eines UN-Tribunals zu unterstützen. Man unterstütze zwar eine einheitliche EU-Haltung zugunsten des Strafgerichtshofs, heißt es aus Regierungskreisen; aber man suche einen Kompromiss mit den USA.

Ein UN-Tribunal zu Darfur könnte nach gegenwärtigen Überlegungen in den Räumen des bestehenden Ruanda-Tribunals der UNO im tansanischen Arusha stattfinden, weil dieses Tribunal seine Arbeit im Laufe dieses Jahres nach Ruanda verlegen soll. Aber dieser Umzug ist noch längst nicht geklärt. Menschenrechtsorganisationen verweisen außerdem darauf, dass UN-Tribunale erfahrungsgemäß viel zu langsam arbeiten.

Auch in der Bundesregierung ist man sich bewusst, dass der Internationale Strafgerichtshof eigentlich gegründet wurde, um Fälle wie Darfur effektiver behandeln zu können als bisher möglich. Man spricht von einem „Dilemma“. Aber genau dies kann sich die internationale Gemeinschaft jetzt nicht leisten.

In Darfur sind Schätzungen zufolge 70.000 bis 400.000 Menschen dem seit Frühjahr 2003 währenden Krieg zum Opfer gefallen. Darfur fand sogar Erwähnung bei der Auschwitz-Sondersitzung der UN-Generalversammlung am Montag. Nur Lehren wurden nicht gezogen.