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Archiv-Artikel

Auslandsiraker sind wahlbegeistert

Ab Freitag dürfen die Iraker eine neue Nationalversammlung bestimmen – auch die in Deutschland lebenden. Hierzulande haben sich über 20.000 für die Wahl registriert. Das sind mehr als in den USA, Australien und Jordanien

KÖLN taz ■ Die Bilder gleichen sich: Auf der Straße patrouillieren schwer bewaffnete Polizisten. Gullydeckel sind versiegelt, damit unter ihnen kein Sprengstoff deponiert werden kann. Anwohner müssen durch Kontrollstellen, Fahrzeuge werden überprüft. Im Umfeld der „Event-Arena“ im Münchner Olympiapark, der „Alten Wache“ in Berlin-Weißensee, der Maimarkthalle in Mannheim und des einstigen Militärflughafens Butzweiler Hof in Köln-Ossendorf herrscht erhöhte Alarmbereitschaft.

Die Vorsicht hat ihren Grund. Denn an diesen Orten wird ab Freitag etwas bis dato Einmaliges stattfinden: Hier werden Auslandsiraker ihre Stimme für die irakische Nationalversammlung abgeben können.

Bis gestern lief die Registrierungsphase. „Wir sind positiv überrascht, dass bisher alles so gut geklappt hat“, berichtete Sebastian Braun der taz. Er arbeitet für die Kölner Außenstelle der International Organization for Migration (IOM), die unter der Aufsicht der Unabhängigen Wahlkommission des Irak das Auslandswahlprogramm organisiert. „Es gab überhaupt keine Zwischenfälle“, sagte Braun. Teilweise habe „nahezu Volksfeststimmung“ geherrscht. Die Registrierung sei „sehr diszipliniert“ verlaufen. Die Menschen hätten die starken Sicherheitsvorkehrungen positiv aufgenommen.

In den anderen Städten gab es ebenfalls keine besonderen Vorkommnisse, bestätigte ein Sprecher der deutschen IOM-Zentrale in Berlin: „Bisher verlief alles absolut friedlich.“ Nach seiner Auskunft hatten sich bis Sonntag 6.512 Wähler in Köln, 4.271 in Berlin, 5.763 in Mannheim und 6.512 in München registrieren lassen. Damit sind in Deutschland mehr Auslandsiraker verzeichnet als in den USA, Australien, Jordanien und Syrien. Die endgültigen Zahlen will die Nichtregierungsorganisation heute bekannt geben. Aber schon jetzt geht sie davon aus, „dass sich in der Bundesrepublik knapp fünfzig Prozent der von uns angenommenen irakischen Einwanderer registriert haben“, so der Sprecher.

„Egal wo ich bin … mein Herz ist in der Heimat“, lautet das Motto, mit dem die irakische Übergangsregierung Auslandsiraker an die Wahlurne bringen will. An der zwischen dem 28. und 30. Januar stattfindenden Wahl teilnehmen kann, wer am oder vor dem 31. Dezember 1986 geboren ist und die irakische Staatsbürgerschaft besitzt oder sie zumindest früher besessen hat. Wählen dürfen auch Personen, die im Irak geboren wurden oder deren Vater Iraker war oder ist.

Außer im Irak selbst finden die Wahlen zur irakischen Nationalversammlung in insgesamt vierzehn Staaten statt. In Europa beteiligen sich neben der Bundesrepublik noch Dänemark, Schweden, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und die Türkei.

Die IOM geht davon aus, dass außerhalb des Iraks etwa 1,2 Millionen Wahlberechtigte leben, davon rund 56.000 in der Bundesrepublik. Bislang haben sich weltweit knapp 238.000 registrieren lassen. Die meisten europäischen Registrierungen gab es dabei in Schweden. Hier trugen sich 27.862 Wähler in die Listen ein. PASCAL BEUCKER