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Archiv-Artikel

Nazis können nicht singen

Das Amtsgericht Dortmund erhebt Anklage gegen Mitglieder der Neonazi-Bands „Weisse Wölfe“ und „Oidoxie“: Volksverhetzung und Darstellung von Gewalt. Gefahr durch Rechtsrock-Bands steigt

VON HOLGER PAULER

Gegen Mitglieder der Neonazi-Bands Oidoxie und Weisse Wölfe wird vor dem Amtsgericht Dortmund Anklage wegen Volksverhetzung und Darstellung von Gewalt erhoben. Dies bestätigte Gerichtssprecher Jürgen Twittmann auf Anfrage der taz. Bei den Angeklagten handele es sich um den Dortmunder Marko Gottschalk, Sänger der Band Oidoxie und Schlagzeuger der Weissen Wölfe, den Arnsberger Stjepan Jus, Sänger der Weissen Wölf und „einen Herr Eggeling“. Zur letzten Person gibt es keine weiteren Angaben. Ein Termin für die Anklageerhebung steht noch nicht fest.

Der Anklage vorausgegangen war ein Strafanzeige der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) vom März 2003. In der Anzeige des VVN-Mitglieds Josef Angenfort wurde unter anderem auf die Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und die öffentliche Aufforderung zu Straftaten und Volksverhetzung hingewiesen: „Juda verrecke und Deutschland erwache“ und „Für unser Fest ist nichts zu teuer – 10.000 Juden für ein Freudenfeuer“, heißt es im Weisse Wölfe-Lied „Unsere Antwort“. Im vom texanischen Neonazi-Label NS88 vertriebenen Video „Kriegsberichter Vol. V“ wird von Oidoxie unter anderem das „Hakenkreuzlied“ der Neonazi-Band Radikahl gespielt: „Hißt die rote Fahne mit dem Hakenkreuz“, lautet der Text. Das Lied endet mit: „Rache für Hess!“. Im vergangenen Jahr wurden mehrere Wohnungen nach dem Video und anderen Materialien durchsucht – darunter auch die Wohnungen der Bandmitglieder. Ob die Beamten dabei fündig wurden, ist nicht bekannt.

Dass zwischen Anzeige und Anklage ein derart langer Zeitraum vergeht, im vorliegenden Fall zwei Jahre, sei gerade bei neonazistischen Straftaten nichts Besonderes, sagt Christian Dornbusch von der Arbeitsstelle Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf. „Beim Prozess gegen den Landser-Sänger Michael Regener hat es ähnlich lange gedauert“, so Dornbusch. Gerüchte über V-Mann-Tätigkeiten haben zur Verzögerung geführt. Im Dezember 2003 wurde Regener unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Verbreitung von Neonazi-Propaganda zu drei Jahren und vier Monaten ohne Bewährung verurteilt. Regener hat Einspruch eingelegt. Mittlerweile ist er unter seinem Pseudonym „Lunikoff“ in die NPD eingetreten.

Ob die Anklagten mit ähnlichen Strafen zu rechnen haben, lässt sich nur vermuten. Die Voraussetzungen dafür bringen sie allemal mit: Bei einem Neonazi-Aufmarsch im vergangenen Herbst in Hamburg stellte sich Oidoxie-Sänger Marko Gottschalk auf die Bühne und rief unter dem Motto „Wir sind keine Spaßfraktion“ zu Gewalt und Militanz auf. „Die meinen das ernst“, sagt Christian Dornbusch. Die Gefahr durch die Neonazi-Bands werde allgemein unterschätzt. „Gerade bei Jugendlichen löst der Rechtsrock eine große Anziehungskraft aus“, so Dornbusch.

Dennis Linsenbarth taucht in der Anklage übrigens nicht auf. Linsenbarth, wohnhaft im westfälischen Werne, ist in beiden Bands aktiv. Der Name war dem Gericht dennoch unbekannt.