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Archiv-Artikel

Rosa Gedenken an braune Zeiten

Schwule und Lesben erinnern zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus. Am Mahnmal im Rheingarten wird ein Kranz niedergelegt

VON BRIGITTE MASER

„Wir bewegen uns auf sehr dünnem Eis, es kann jeder Zeit brechen“, sagt Schwulenaktivist Jörg Lenk. Heute, sechzig Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, berichtet das „Schwule Überfalltelefon Köln“, dass Übergriffe auf Schwule und Lesben auch in Köln deutlich zugenommen haben.

Am heutigen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus veranstaltet das Schwule Netzwerk NRW am Mahnmal „Totgeschlagen – Totgeschwiegen – den schwulen und lesbischen Opfern des Nationalsozialismus“ im Rheingarten eine Gedenkveranstaltung. Erst 1995 wurde das Mahnmal von Achim Zukann in Form des Rosa Winkels – damit kennzeichneten die Nazis in den KZs die Homosexuellen – eingeweiht. Es steht da, wo in den 20er und 30er Jahren eine öffentliche Bedürfnisanstalt stand – ein beliebter Schwulentreff, der wie viele von den Nazis zerschlagen wurde. Besonders perfide: Die Kölner Schwulenbar „Dornröschen“ wurde nach seiner Schließung in ein SA-Sturmlokal umgewandelt.

Die Erinnerungsstätte im Rheingarten entstand gegen Widerstand: Der gewerkschaftliche Kölner Arbeitskreis Lesben und Schwule hatte bereits 1990 die Idee eines Mahnmals geboren, die Stadt jedoch zierte sich – das Haushaltssäckel sollte nicht belastet werden. Auch der Architekt des Rheingartens verweigerte anfangs seine Zustimmung. Erst fünf Jahre später hatten sich genug Sponsoren gefunden, um den Stein der Stadt als Schenkung übergeben zu können.

Über 60.000 Schwule und Lesben wurden während der Nazizeit in Gefängnisse oder Konzentrationslager gesteckt und ermordet. Genaue Zahlen gibt es bis heute nicht. Viele wurden wegen „asozialen Verhaltens“ verfolgt. „Mit der Machtübernahme der Nazis wurden die sehr bunte und vielfältige homosexuelle Subkultur, die ja gerade in der Weimarer Republik eine starke Blüte hatte, völlig zerschlagen“, sagt Gabriele Bischoff, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Lesben/NRW.

Mit den Kranzniederlegungen soll nun dagegen angekämpft werden, dass die Opfer in Vergessenheit geraten: „Wir wollen wir einen Bezug zwischen unserer Geschichte und der Gegenwart wieder herstellen“, sagt Reinhard Klenke vom Schwulen Netzwerk. „Das Schicksal von Homosexuellen unter den Nazis wurde lange Zeit verschwiegen. Wir wollen deutlich machen, dass die Verfolgung von angeblichen Minderheiten kein einmaliger Unfall der Geschichte war, sondern immer wieder passieren kann.“

Kranzniederlegung: Heute, 10.30 Uhr, am Mahnmal „Totgeschlagen-Totgeschwiegen“, Rheingarten unter der Hohenzollernbrücke