piwik no script img

Archiv-Artikel

Bagis: Das Chaos ist im Fluss

Kritik an Alg-II-Behörde: Kaum einer ist zu erreichen, kaum einer hat Ahnung. Bagis-Chef: „Kann noch nicht alles perfekt sein“

Von sgi

Bremen taz ■ Joseph T. ist bedient. „Davon krieg ich auch nix in den Kühlschrank“, schnauzt er, als er hört, dass seine Sachbearbeiterin bei der Bagis krank ist, er aber am Montag beim Abteilungsleiter vorsprechen könne.

Der Zeitungsausträger, der ergänzend Arbeitslosengeld II (Alg II) bekommt, hat noch zehn Euro in der Tasche. Die hat er schon seit einer Woche nicht angerührt. Er lebe von den letzten Resten seiner Dosen, erklärt er. Die Bagis, die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales, habe ihm noch 100 Euro zu zahlen, klagt Joseph T. Zehn Tage lag er im Dezember im Krankenhaus – weil er da keine Zeitungen austragen konnte, fehlte ihm der Verdienst der ausgefallenen Tage. Entsprechend müsste sein Alg II aufgestockt werden – wurde es aber nicht. Er möge seinen Einkommensbescheid einreichen, hieß es aus der zuständigen Bagis-Geschäftsstelle Mitte. Das war Anfang Januar. Seitdem wartet T. auf sein Geld. Mehrfache Nachfragen seinerseits blieben ohne Erfolg: Erst hieß es, man arbeite dran, dann war niemand mehr zu erreichen. Nun ist seine Sachbearbeiterin krank. Und T. in Not. Denn wegen fortgesetzter Krankheit und daher notwendigen Medikamenten musste von den 140 Euro amtlicher „Nettokohle“, so sagt T. dazu, 55 Euro für Praxisgebühr und Zuzahlungen investieren. Ohne den Verdienstausfall, rund 100 von monatlich insgesamt 320 Euro, ersetzt bekommen zu haben. Nächsten Monat, fürchtet T., geht das Spiel wieder los. Wegen Krankheit fällt auch diesen Monat sein Austräger-Verdienst flach. Bei der Bagis herrscht Unwissen. Und das ist derzeit offenbar üblich.

In der Bagis geht es drunter und drüber – das zumindest berichten Ratsuchende bei den Beratungsstellen. „Relativ gruselig“, seien die Zustände, erzählt ein Berater – so hätten Alg-II-Empfänger telefonisch kaum eine Chance, ihren Amtszuständigen zu erreichen. Die Bescheide sind seit neuestem ohne Durchwahl, es steht dort nur noch die Zentrale der öffentlichen Verwaltung 361-0. Das Weiterverbinden klappt selten.

Was das Telefonieren aber so dringend macht: Die Bescheide sind oft nicht zu verstehen und damit auch nicht nachzuprüfen. Darauf hatte kürzlich bereits die Solidarische Hilfe hingewiesen (taz berichtete). Schuld an der Misere seien nicht die Bagis-Beschäftigten, da sind sich die Beratungsstellen Solidarische Hilfe und Agab einig: „Die blicken teilweise noch gar nicht durch. Denen fehlen noch Schulungen.“

In der Bagis arbeiten neben Fachleuten der Arbeitsagentur und der Sozialzentren auch verwaltungsfremde Beschäftigte aus anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Da seien auch Lokführer, Elektriker oder Lagerarbeiter dabei, heißt es. Die müssen nun geschult werden.

Nicht nur hier hapert es – auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Aufgabenbereiche ist verbesserungsbedürftig. Die Vermittlung in Arbeit stockt, weil die Mitarbeiter, die für die Auszahlung zuständig sind, gar nicht dazu kommen, die Menschen an ihre Vermittler-Kollegen weiterzureichen. So ist zu hören, dass es in Bagis-Stellen tatsächlich Mitarbeiter gibt, die nichts zu tun haben.

Das will der Bagis-Chef so nicht gelten lassen. „Wir sind noch an einigen Stellen dabei, das neue Unternehmen zusammenzufügen“, so Bagis-Leiter Thomas Schneider. Die Teamzuständigkeiten seien „noch im Fluss“. Und: „Es kann noch nicht alles perfekt sein.“ sgi