Vorbild Ostdeutschland

GM stellt Opel im Ruhrgebiet ein neues Modell und den vorläufigen Erhalt des Werkes in Aussicht. Garantien gibt es keine, dafür aber weniger Lohn

AUS BOCHUM KLAUS JANSSEN

Der Autokonzern General Motors (GM) macht die Zukunft des Standorts Bochum von weiteren Zugeständnissen der Belegschaft abhängig. Nur wenn die Arbeiter Lohnkürzungen akzeptierten, werde GM „massiv“ in das Werk im Ruhrgebiet investieren und als Ausgleich für die ins polnische Gliwice verlagerte Produktion des Zafira den neuen fünftürigen Astra Bochum bauen lassen, sagte der GM-Europa-Chef und Opel-Aufsichtsratsvorsitzende Carl-Peter Forster auf einer Betriebsversammlung in Essen. So könnte ein Dreischicht-Betrieb bis 2010 erhalten bleiben.

Die Zeit danach sei offen: „Wenn das Werk bis 2008 im Wettbewerb mit anderen europäischen Standorten bestehen kann, hat es eine Zukunft“, erklärte Forster. Garantien werde es aber nicht geben. Auch der angekündigte Abbau von 3.600 Arbeitsplätzen in Bochum sei alternativlos. Wie hoch die geforderten „Zugeständnisse auf der Lohnseite“ ausfallen sollen, ließ Forster offen – wahrscheinlich ist ein Wegfall der übertariflichen Leistungen.

Die Bochumer sollen laut Forster die Produktivität des Ost-Standortes Eisenach erreichen. Der Bochumer IG-Metall-Chef Ludger Hinse kündigte bereits Gesprächsbereitschaft an: „Wir sind flexibel genug. In diesem Land gibt es keine Tabus“, sagte er. Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel sagte, dass die Arbeitnehmer nicht in Vorleistung gehen würden: „Ich traue Forster nur bei dem, was ich schwarz auf weiß habe.“

Knapp 6.000 Opelaner nutzten gestern in der Essener Grugahalle die erste Möglichkeit eines Gesprächs mit Vertretern des GM-Managements seit Ende des wilden Streiks im Oktober. Betriebsratschef Einenkel kritisierte Forster zu Beginn der Sitzung scharf: „Bochum war immer der Goldesel und die Melkkuh von Opel. Die aktuelle Krise hat ihre Ursache in der Chefetage“, sagte er. Doch auch wenn Forster und der kurzfristig in Essen aufgetauchte NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) von den Arbeitern ausgepfiffen wurden, blieb die Belegschaft in und vor der Halle jedoch erstaunlich ruhig und diszipliniert. Nur wenige Arbeiter erwähnten die Möglichkeit eines neuen Streiks.

Sollte der Standort Bochum erhalten bleiben, wird Opel sein Sanierungsprogramm vorerst ohne Werksschließungen umsetzen können. Dass sich mit dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen auch die zweite Forderung von Betriebsräten und Gewerkschaft erfüllt, ist jedoch unwahrscheinlich: Am Standort Bochum haben sich bislang erst 960 Mitarbeiter dazu bereit erklärt, das Unternehmen über Abfindungen und Transfergesellschaften zu verlassen. Vor allem älteren Mitarbeitern wird von Unternehmensseite eine Abfindung verweigert – bei langer Betriebszugehörigkeit sind ihre Ansprüche schlicht zu hoch für das von GM eingeplante Budget. Auch wenn Opel die Frist für die Einrichtung einer Einigungsstelle vom 1. auf den 25. Februar verlängert hat, rechnet der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel nicht damit, dass sich genügend Abwanderungswillige finden: „Was jetzt kommt, wird hässlich.“