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Archiv-Artikel

Raketenabwehr steht auf der Kippe

Ein Experte der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik kritisiert in einer neuen Studie das Rüstungsprojekt scharf. Er schlägt billigere und bessere Alternativen zum Patriot-Nachfolger vor. Auch die CDU geht inzwischen auf Distanz zu „Meads“

AUS BERLIN DANIEL ZWICK

Die CDU stellt die Entwicklung des neuen Raketenabwehrsystems Meads infrage. „Wenn die Luftabwehr nicht den Anforderungen entspricht, muss im Haushaltsausschuss dagegen entschieden werden“, sagte der CDU-Obmann im Ausschuss, Dietrich Austermann, zur taz. Bisher hatte die Union Meads befürwortet. Eine neue Studie der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) kritisiert das System scharf. Meads widerspreche teilweise den verteidigungspolitischen Richtlinien, sagte der Autor der Studie, Sascha Lange, der taz. „Die vollständige Umstellung auf Meads wäre ein Rückschritt in der Verteidigungsfähigkeit gegenüber Flugzeugen.“

Das Medium Extended Air Defense System (Meads) soll nach dem Willen von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) ab 2014 das Patriot-System der Bundeswehr ersetzen. Ein deutsch-italienisch-amerikanisches Firmenkonsortium baut Meads im Auftrag der Regierungen. Deutschland soll ein Viertel der Entwicklungskosten tragen – bis zu 1 Milliarde Euro. Unklar ist, wie viel die Anschaffung der Abschussrampen und Raketen kosten wird, wenn sich der Bundestag 2008 für den Kauf entscheidet. Das Verteidigungsministerium rechnet mit 2,85 Millionen Euro, Wissenschaftler gehen von bis zu 12 Millionen Euro aus. „Selbst 2,8 Millionen Euro sind für den Verteidigungshaushalt zu viel“, sagte Austermann. Die Finanzierung sei noch lange nicht klar. Dazu passt, dass Verteidigungs- und Finanzministerium dem Bundestagsausschuss noch keinen Budgetplan vorgelegt haben.

Die Kritik der Union könnte Strucks Zeitplan ins Wanken bringen. Denn auch Koalitionsabgeordnete könnten im Haushaltsausschuss gegen die Entwicklung der Raketenabwehr stimmen. Zuletzt hatten sich die Grünen skeptisch geäußert. Bis zum 26. März muss Deutschland eine Vereinbarung über die Entwicklung (Memorandum of Understanding) unterzeichnen, sonst ist das Projekt gefährdet.

Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder dürfte die Zerreißprobe im Ausschuss stören: Beim Staatsbesuch von US-Präsident Bush im Februar will er sich mit der Meads vermutlich als guter militärischer Partner profilieren. Unschön wäre es für Schröder, wenn das Projekt dann an den eigenen Abgeordneten zu scheitern droht.

Das könnte passieren, wenn die Haushaltspolitiker den Ratschlägen von Schröders wissenschaftlichen Beratern folgen: „Im Großen und Ganzen hat Meads keinen Sinn“, sagt SWP-Forscher Lange. Einerseits sei ein großräumiger Schutz der Bevölkerung mit den geplanten kleinen Stückzahlen nicht zu erreichen, andererseits könne das System Soldaten bei Auslandseinsätzen nicht umfassend schützen. Der Flugkörper PAC-3, der bei Meads eingesetzt werden soll, könne manche der heutigen ballistischen Raketen kaum abfangen, schreibt Lange in einem Artikel für SWP-Aktuell.

Der Experte schlägt als Alternative vor, das Patriot-System weiter zu verbessern und durch ein neues Radar zu ergänzen. Diese Lösung sei wesentlich billiger und sinnvoller als Meads.

Lange kommt zu dem Schluss, dass die Bundeswehr das System nur effizient einsetzen kann, wenn sie Daten eines amerikanischen Satelliten nutzen darf. „Die Abhängigkeit von US-Systemen ist insofern besonders problematisch, als die US-Streitkräfte eine restriktive Praxis der Informationsweitergabe pflegen“, schreibt er.