: Das Saarland ist in die Grube gefallen
Jeder vierte Euro im Landeshaushalt ist gepumpt. Kann das Mini-Flächenland überhaupt allein überleben?
SAARBRÜCKEN taz ■ Nach fünf Jahren unter Ministerpräsident Peter Müller (CDU) pfeift das Saarland finanziell aus dem letzten Loch. Der Haushaltsentwurf für 2005, den Finanzminister Peter Jacoby (CDU) vergangene Woche in den Landtag einbrachte, bricht alle Verschuldungsrekorde. Bei einem Haushaltsvolumen von gerade einmal 3,3 Milliarden Euro beträgt die Nettoneuverschuldung 810 Millionen Euro.
Jeder vierte Euro im Etat an der Saar soll also über neue Schulden finanziert werden. In Hessen etwa muss sich Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) 2005 „nur“ rund jeden 25. Euro im Etat leihen. Dennoch spricht die Opposition von einem „Verfassungsbruch“. Und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sieht sein Bundesland schon „am Abgrund“, weil jeder zehnte Euro im Etat neu gepumpt ist.
Das Saarland unter Müller ist da schon ein paar Schritte weiter. Müller ruft jetzt erneut laut um Hilfe – den Bund. Von 1994 bis 2004 flossen bereits 6,5 Milliarden Euro an Stütze von Berlin aus an die Saar. Die Sonderzahlungen wurden bislang mit der besonderen Notlage des Landes während der industriellen Umstrukturierungsphase begründet: Weg von Bergbau und Stahlkocherei und hin zur Hochtechnologiebranche. Gleichzeitig subventioniert auch das bettelarme Land selbst seine anachronistische Kohlegewinnung weiter – 2003 mit knapp 10 Millionen Euro. Angeprangert wird dies bislang nur von den Grünen.
Müller jedenfalls schrieb dem Kanzler jetzt einen Bettelbrief. Und zeitgleich drohte sein Finanzminister Jacoby bereits mit einer Klage gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieses habe Mitte der 90er-Jahre selbst erklärt, das „bündische Prinzip“ verpflichte die Bundesregierung zur Unterstützung eines unverschuldet in Not geratenen Bundeslandes.
Unverschuldet in Not geraten? Die Sozialdemokraten machen vor allem Müller verantwortlich: „Zu spät und falsch“ sei gespart worden, moniert Oppositionschef Heiko Maas. Eine „Kostenexplosion“ habe es seit dem Regierungsantritt von Müller im Bereich der Staatskanzlei gegeben, so Maas am Freitag im Landtag. Von 1998 bis 2005 sei der Etat des Ministerpräsidenten um 58 Prozent – real um 3,2 Millionen Euro – erhöht worden. Im Gegenzug spare die Landesregierung 2005 insgesamt gerade einmal 136 Millionen Euro ein.
Dabei hat Müller schon mächtig hingelangt. So sollen reihenweise Grundschulen im Saarland geschlossen und die Kinder zu regionalen „Stützpunktschulen“ transportiert werden. Soziale und kulturelle Projekte werden ab sofort nicht mehr gefördert; sehr zum Unmut von SPD und Gewerkschaften. Alternative Sparvorschläge haben die bislang aber auch nicht gemacht.
Und so ganz allmählich dämmert es einigen Landespolitikern an der Saar, dass das Mini-Flächenland alleine wohl nicht mehr lange überlebensfähig ist. Allein Saarbrücken hat in den letzten Jahren rund 10 Prozent seiner Bevölkerung durch Abwanderung verloren. Hinter vorgehaltener Hand wird im Landtag deshalb wieder der Zusammenschluss mit Rheinland-Pfalz erwogen – bislang ein Tabuthema. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT