: Irak schreitet zur Demokratie
Trotz zahlreicher Anschläge: Überraschend hohe Wahlbeteiligung im Zweistromland. Nur Mehrheit der Sunniten übt sich in Wahlenthaltung. Die meisten Iraker wählen zum ersten Mal in ihrem Leben
BAGDAD afp/taz ■ Mit einer regen Beteiligung an der Parlamentswahl haben die Iraker am Sonntag ein Zeichen für den Aufbruch ihres Landes in eine demokratische Zukunft gesetzt. Die erste freie Wahl im Irak seit der Entmachtung Saddam Husseins verlief nach den Worten von Beobachtern planmäßig und zeichnete sich durch eine hohe Beteiligung der Schiiten und Kurden aus. Die sunnitische Minderheit blieb der Abstimmung größtenteils fern. Ein Sprecher der Wahlkommission sagte, die Beteiligung liege bei 72 Prozent, nicht eingerechnet seien die arabisch-sunnitischen Provinzen al-Anbar und Ninive. Bei Anschlägen wurden landesweit mindestens 36 Menschen getötet.
Bei den Wahlen zu der verfassunggebenden Nationalversammlung habe es „sehr wenige Betrugsfälle“ gegeben, sagte ein Sprecher der regierungsunabhängigen Organisation Ain (Auge), die den Einsatz der rund 10.000 irakischen Wahlbeobachter koordinierte. Die Wahllokale schlossen wie vorgesehen um 17.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ). Allerdings durften bereits anwesende Wähler noch ihre Stimme abgeben.
In Regionen mit sunnitischer Bevölkerungsmehrheit blieben dagegen viele Wahllokale geschlossen. Regierungschef Ajad Allawi nannte die Wahl dennoch den „Beginn einer neuen Ära“. Aschraf Kasi, UN-Vertreter im Irak, bezeichnete sie als „transparent und fair“. Die Beteiligung sei „teilweise stark“ gewesen. US-Außenministerin Condoleezza Rice nannte die Wahlen einen „großen Schritt nach vorne“ auf dem Weg zur Demokratie.
Aufständische versuchten den ganzen Sonntag über, die Wahlen mit Anschlägen zu torpedieren. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums waren unter den 36 Todesopfern 30 Zivilisten und 6 Polizisten. 96 Menschen seien verletzt worden.
Am Wochenende hatten laut Angaben der Internationalen Organisation für Migration rund 66 Prozent aller 280.000 registrierten Auslandsiraker ihre Stimme abgegeben. Von den rund 26.000 in Deutschland registrierten Irakern wählten an den ersten beiden Tagen rund 61 Prozent.
Rund 14,2 Millionen registrierte Wähler waren aufgerufen, erstmals seit 1953 in einer Mehrparteienwahl eine Nationalversammlung zu bestimmen. Außerdem wurden 18 Provinzräte und ein autonomes Parlament für das Kurdengebiet gewählt. Mit dem Endergebnis rechnet die Wahlkommission zehn Tage nach der Wahl.
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