wo wessis auf wiedervereinigung drängen : Union flirtet mit Union
Vor kurzem kam es im Stadion an der Alten Försterei zu einem denkwürdigen Treffen. Gastgeber Dirk Zingler, Präsident des 1. FC Union, hatte seinen Amtskollegen Bernd Stautmeister von SC Union 06 nach Köpenick eingeladen. „Wir wollten uns kennen lernen. Uns war bekannt, dass die Pläne, beide Vereine zusammenzuführen, noch nicht vom Tisch sind“, erklärte Bernd Stautmeister nach der vertraulichen Runde in der Wuhlheide.
Die Unioner aus beiden Vereinen erinnern sich ihrer gemeinsamen Wurzeln. Denn sowohl der 1. FC als auch der SCU stehen in der Tradition des 1906 gegründeten SC Union Oberschöneweide. 1950 floh fast die gesamte Mannschaft des Deutschen Vizemeisters von 1923 in den Westen Berlins, um der Eingliederung in die neu gegründete DDR-Oberliga zu entgehen. In Moabit gründeten die Flüchtlinge den SC Union 06. Viele Fans aus der Wuhlheide pilgerten zu den Auftritten der populären „Schlosserjungs“ in das Poststadion. „Mit dem Mauerbau war damit Schluss“, erzählt Stautmeister aus längst vergangenen Tagen.
In der Alten Försterei füllte – nach einem erfolglosen Anlauf mit Motor Oberschöneweide – erst der 1966 ins Leben gerufene 1. FC Union die 1964 nach der Auflösung der Ur-Union entstandene fußballerische Lücke. Geht jetzt Union mit Union eine neue Union ein? „Fusionsgespräche wurden noch nicht geführt. Solche Sachen entscheiden bei uns die Mitglieder“, kommentiert ein schmallippiger FCU-Boss Dirk Zingler den ersten vorsichtigen Flirt.
Angeblich stehen die meisten der 4.000 „Eisernen“ aus Köpenick einer Ehe mit den 100 „Schlosserjungs“ aus dem Poststadion allerdings noch skeptisch gegenüber. Zumal ihr Zweck im Alltag fraglich bleibt. Das gemeinsame Jubeljahr 2006 – SCU wird 100, 1. FCU 40 Jahre alt – reicht einigen Fans als Sinnstiftung nicht aus. In der Wuhlheide haben viele Union-Anhänger dem Namensvetter noch nicht verziehen, dass die Moabiter sich vor zehn Jahren für eine kurze Saison als „Union Oberschöneweide“ in direkter Nachbarschaft zur Alten Försterei niederließen, bevor man mangels Zuschauerzuspruchs schnell wieder den Rückzug ins Poststadion antrat.
Stautmeister hingegen meldet aus Moabit „fast einstimmige Befürwortung“ einer Fusion, „obwohl bei uns höchstens noch vier, fünf Leute am Leben sind, die die Geschichte beider Klubs selbst miterlebt haben“. Die große Zeit der West-Union ist nämlich längst vorbei. Mitte der 70er-Jahre spielte der Club um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Inzwischen dümpelt die 1. Mannschaft in der Kreisklasse B. „In zehn, zwanzig Jahren gehen bei uns die Lichter aus“, befürchtet der Präsident. Benachbarte Clubs wie SV Yesilyurt oder Berliner AK üben eine weitaus größere Anziehungskraft auf die weniger werdenden Fußball-Kids im Kiez aus. Da erscheint eine Rückbesinnung auf die Union-Historie als attraktive Perspektive.
JÜRGEN SCHULZ