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Archiv-Artikel

US-Präsident sieht sich bestätigt

Die Regierung in Washington und zahlreiche Medien werten die Wahlen im Irak als „historisch“. Doch wann die Truppen wieder abziehen, wird heftig debattiert

WASHINGTON taz ■ Die US-Regierung und die amerikanischen Medien haben die Wahlen im Irak als Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie gepriesen. Die Zeitung USA Today titelte „Ein Tag zum Feiern“. Und das Wort „historisch“ dürfte am Sonntag das meistgebrauchte Attribut gewesen sein.

Präsident George W. Bush trat bereits mittags vor die Presse und bezeichnete die Wahlen als „durchschlagenden Erfolg“. Außenministerin Condoleezza Rice lobte den Mut der irakischen Wähler, die ihre „ersten Schritte auf dem Weg zur Freiheit“ unternommen hätten. Zu der hier immer lauter vorgebrachten Forderung nach einer erkennbaren „Exit“-Strategie für die US-Streitkräfte hielt sich die Regierung jedoch bedeckt. Rice sagte lediglich, es werde keinen „künstlichen Fahrplan“ geben. Amerika werde den „Job im Irak“ beenden.

Doch auch der Präsident und seine Chefdiplomatin haben gelernt, vorsichtiger zu sein und Erwartungen tiefer zu hängen. Bush gestand, dass es noch ein weites Stück auf dem Weg zur Demokratie im Irak sei, und Rice betonte, „vor uns liegen noch viele, viele schwierige Tage“.

Für viele Kommentatoren zeigte die Wahl die Grenzen des Terrors auf. Sie verwiesen darauf, dass es sich in Bagdad, ungeachtet der unvollkommenen Umstände, nun um die am besten legitimierte Regierung seit Jahrzehnten handle. Vor allem konservative Meinungsmacher betonten die Tatsache, dass der Irak jetzt neben Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde das einzige Land im Nahen Osten sei, das entweder über demokratische Institutionen verfüge oder sie gegenwärtig aufbaue – für sie ein Erfolg der „Bush-Doktrin“.

Da jedoch die geschätzten 20.000 Untergrundkämpfer nicht einfach verschwinden werden, ist die Presse übereinstimmend der Meinung, Amerika habe die moralische und praktische Verpflichtung, den Irak so lange zu unterstützen, bis das Land stabilisiert sei. Wann die US-Truppen abziehen könnten und ob sie mittlerweile eher Teil des Problems als der Lösung sind, ist Gegenstand heftiger Debatte.

Insgesamt scheint die Wahl erstmals seit langem wieder die Hoffnung zu schüren, dass sich irgendwie, wenn auch weit entfernt von den ursprünglich hoch gesteckten Zielen, im Irak ein demokratischer Prozess in Gang setzen lässt. Erfolg wird jedoch daran gemessen, schreibt die New York Times, ob die Wahlen einen Bürgerkrieg vermeiden helfen und die Iraker in die Lage versetzen, sich langfristig ohne Hilfe des US-Militärs gegen innere Feinde zu verteidigen.

MICHAEL STRECK