: „Ein Moratorium reicht nicht“
Der Tsunami hat Schuldenerlass dringend gemacht, sagt die Aktivistin Lidy B. Nacpil
taz: Hat der Tsunami der Entschuldungsbewegung neuen Schwung verliehen?
Lidy B. Nacpil: Es ist wirklich schlimm, dass es erst einer Katastrophe bedarf, damit die internationale Öffentlichkeit wieder auf dieses Thema aufmerksam wird. Aber es stimmt: Die Entschuldung steht wieder auf der Tagesordnung.
Wie beurteilen Sie denn die internationale Reaktion auf die Forderung nach sofortigem Schuldenerlass für die vom Tsunami betroffenen Länder?
Immerhin haben einige Regierungen der Gläubigerländer sofort ein Moratorium ins Spiel gebracht. Das heißt, sie erkennen an, dass die Klärung der Schuldenfrage für die betroffenen Ländern eine wichtige Rolle spielt. Aber es ist absurd, zu glauben, dass ein dreimonatiges Moratorium viel helfen würde. Das wäre mehr PR für die Regierungen im Norden als eine echte Lösung.
Was müsste der nächste Schritt sein?
Jubilee South fordert seit langem die vollständige, bedingungslose Schuldenstreichung für alle Länder des Südens. Wir wissen natürlich, dass das nicht über Nacht passieren wird, insofern begrüßen wir auch Teilerfolge.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den Programmen zur Entschuldung hoch verschuldeter armer Länder (HIPC) gemacht?
Das hat mehr den Gläubiger- als den Schuldnerländern genutzt. Ein Großteil dieser Schulden war ohnehin nicht mehr einzutreiben. Bei diesem Versuch, die Bücher in Ordnung zu bringen, haben die Gläubiger erst einmal mehr Geld bekommen, als sie vorher erwarten konnten.
Wäre ein reiner Schuldenerlass eine Garantie für einen wirklichen Neuanfang?
Natürlich löst eine Schuldenstreichung nicht alle Probleme. Wir im Süden müssen dafür sorgen, dass unsere Regierungen die Mittel für eine sinnvolle Entwicklung unserer Wirtschaften einsetzen. Ohne Schuldenerlass aber gibt es dafür überhaupt keine Möglichkeit.
Und Schuldenerlass ist ja keine Wohltätigkeit, es ist eine Frage der Gerechtigkeit gegen die Menschen im Süden. Die haben von den Krediten nie profitiert – sie sind aber diejenigen, die sie bezahlen müssen, nicht die reichen Eliten.
Sie fordern keine Konditionierung eines Schuldenerlasses, damit das Geld sinnvoll verwandt wird?
Nein, darauf müssen die Gläubiger bei zukünftigen Krediten achten, nicht beim Erlass der alten, ungerechten Schulden.
INTERVIEW: BERND PICKERT