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Archiv-Artikel

Tödliches Virus ohne Grenzen

Aids hat seinen ursprünglichen Schrecken verloren – zu Unrecht, so eine Kölner Tagung. Die Zahl der neuinfizierten Frauen in NRW steigt seit Jahren, Migrantinnen haben kaum eine Chance auf Hilfe

AUS KÖLNANNE WELLMANN

Die südafrikanische Provinz Mpumalanga ist seit 1995 die Partnerregion von NRW. In der Provinz ist ein Drittel der Bevölkerung mit Aids infiziert. Damit ist die Krankheit Todesursache Nummer Eins am Kap. In Südafrika leben etwa 5,3 Millionen mit HIV infizierte Menschen.

Angesichts dieser Schrecken wirken die jüngsten Zahlen aus Nordrhein-Westfalen „auf den ersten Blick undramatisch“, sagte Gesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) anlässlich einer Fachtagung zur Aids-Prävention gestern in Köln. Anlass zur Sorge besteht dennoch: Die Gesamtzahl der in Deutschland neu diagnostizierten HIV-Infektionen ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen. Im letzten Jahr habe es in NRW 400 Neuinfektionen gegeben. Darüber hinaus sei bei 150 HIV-Infizierten die Krankheit ausgebrochen, sagte Fischer.

Die Ursache dafür ist laut Fischer die zunehmende “Präventionsmüdigkeit“. Auch habe „die veränderte öffentliche Wahrnehmung von Aids“ Neuinfektionen begünstigt. Die Krankheit habe „ihren ursprünglichen Schrecken“ verloren. Die Berichterstattung der Medien zeichne ein falsches Bild der Ausbreitung von HIV, da diese ihr Augenmerk hauptsächlich auf die zugegebenermaßen „katastrophalen Dimensionen“ der Infektion in Dritte-Welt-Ländern richteten.

Fischer sagte, es müsste eine „globale Strategien“, besonders im Hinblick auf die Ausbreitung von Aids in Südafrika gefunden werden. Partnerschaften müssten gebildet werden, um „nicht nur kurzfristige Hilfe zu leisten“, sondern „eine langfristige Begleitung“ der Menschen in Südafrika zu gewährleisten. Aids sorge in diesen Regionen für eine „soziale und wirtschaftliche Destabilisierung“. Das Wissen der Industrieländer müsse in andere Länder transportiert werden, forderte Fischer. Davon würde auch Deutschland nachhaltig profitieren, denn „das Virus macht vor Grenzen nicht halt“.

Zielgruppenspezifische Aufklärung ist laut Fischer in Deutschland geboten. Der Anteil der aidskranken Frauen sei hierzulande von 20 auf 26 Prozent gestiegen. HIV-positive Frauen sind im Schnitt jünger und schlechter ausgebildet als Männer. Frauen infizieren sich schneller und auch der Krankheitsverlauf unterscheidet sich von dem bei Männern. Es besteht bei Frauen, insbesondere bei Frauen mit Migrationshintergrund, ein spezieller Beratungsbedarf. Bei der Aufklärung müssten vor allem Fragestellungen nach Kinderwunsch und Schwangerschaft angegangen werden. Aids ist längst nicht mehr nur eine Krankheit, die in gesellschaftlichen Randgruppen auftritt, „das Virus ist in der Allgemeinbevölkerung verankert“, so Klaus-Peter Hackbarth von der Aids-Hilfe NRW.

Trotz aller Schreckensszenarien – in der Aids-Prävention gibt es auch Erfolge. Gesundheitsministerin Fischer dankte den Aids-Hilfen für die gute Zusammenarbeit der vergangenen 20 Jahre und deren meist ehrenamtliches Engagement. Sie regte an, der Präventionsmüdigkeit mit “immer neu erfundenen, guten Kampagnen“ zu begegnen.

Die Arbeit des seit 15 Jahren bestehenden „youthworker“-Programms in NRW hat über 80.000 Jugendliche erreicht, sie sind aktiv in die Aids-Hilfe miteinbezogen. Auch die schwule Präventionskampagne „Herzenslust“ erreichte viele Betroffene und ist ein gutes Beispiel für den Erfolg von Vernetzung.