KOMMENTAR VON SEBASTIAN HEISER
: Messlatte viel zu hoch gelegt

Eine Wahlbeteiligung von 45 Prozent war völlig unrealistisch

Jetzt hat der Senat die Politikverdrossenheit wieder ein kleines Stückchen erhöht. Es ist eines dieser kleinen Beispiele für Wählerverarschung, die einzeln gar nicht mehr auffallen und für sich genommen auch keine Aufregung wert sind. In der Summe sind sie aber geeignet, zu einem sinkenden Vertrauen in die Politik beizutragen – und damit zu sinkenden Wahlbeteiligungen. Der Senat hatte sich nämlich für diese Europawahl eine hohes Ziel bei der Wahlbeteiligung gesetzt: Mindestens 45 Prozent sollten es werden, wünschte sich die Europabeauftragte Monika Helbig. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte, er wolle das durch Information erreichen. Der Senat wolle die Bürger aufklären, wie wichtig die Europawahl ist.

Nach einer ersten Prognose des Wahlleiters lag die Wahlbeteiligung in Berlin bei 33 Prozent. Das Ziel von 45 Prozent war völlig unrealistisch. Und das wussten auch die Bürger – sie konnten sich zu Recht nicht ernst genommen fühlen, wenn der Senat die Messlatte so hoch legt.

Eine so niedrige Wahlbeteiligung stellt auch die Legitimation von Politik insgesamt in Frage. Damit landesweite Volksentscheide gelten, müssen 25 Prozent der Wähler mit Ja stimmen. Es ist absehbar, dass die Wahlbeteiligung bei einer der nächsten Europawahlen auch noch unter diese Marke fallen wird. Es ist gut, wenn die Politik sich vornimmt, das zu verändern. Dafür braucht es aber eine ehrliche Analyse der Ursachen – und keine unehrlichen Durchhalteparolen.