DIE INSOLVENZ VON WALTER BAU IST SYMPTOMATISCH FÜR DEUTSCHLAND
: Schmerzhafte Ankunft in der Gegenwart

Die Insolvenz von Walter Bau ist symptomatisch. Zunächst für die Baubranche in Deutschland, die mittlerweile im elften Jahr hintereinander schrumpft. Für 2005 werden erneut über 8.000 Insolvenzen erwartet – in der Regel sind kleinere Unternehmen betroffen, die immer weniger an ihren Aufträgen verdienen und ihr Eigenkapital verbraucht haben.

Dass es auch den drittgrößten deutschen Baukonzern trifft, ist nur auf den ersten Blick überraschend. Kritiker haben dem Unternehmen in der Vergangenheit vorgeworfen, dass es sich nur durch den Zukauf von profitableren Firmen über Wasser gehalten hat. Denn anders als Konkurrenten wie Hochtief und Bilfinger+Berger, die ihr Geld vor allem im Ausland verdienen, gelang es Walter Bau nicht, die Abhängigkeit vom Inlandsgeschäft ausreichend zu verringern.

Und so hat das Unternehmen nicht nur unter der günstigeren Konkurrenz aus Osteuropa gelitten, sondern auch unter der schlechten Zahlungsmoral der öffentlichen Hand. Hier steht die Insolvenz von Walter Bau ebenfalls als Beispiel für ein Land, dessen Staat immer mehr verarmt – während die Gewinne international tätiger Konzerne steigen und steigen. Die klammen Kommunen, die um ihre Rendite ringende Deutsche Bahn – ihnen gab der Gründer und Patriarch des Unternehmens Ignaz Walter eine gehörige Mitschuld an der prekären Lage.

Doch für die Banken war gerade die noch immer zentrale Rolle Ignaz Walters ein entscheidendes Problem. Die Erfolgsgeschichte des mächtigen „Bau-Napoleons“, der als Maurer angefangen hat, hat ihre Wurzeln im Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit und ihren vor allem binnenwirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen. Das Patriarchen-Modell auf allen Ebenen, von den kleineren Handwerksbetrieben bis hoch zu den mächtigen Konzernbossen der Deutschland AG, hat jahrzehntelang funktioniert. Doch globalisierte Märkte und Banken, die selbst internationale Rendite-Standards zum Maßstab ihres Handelns machen, lassen dies nicht mehr zu. Walter Bau ist durch die schmerzhafte Insolvenz in der Gegenwart angekommen. STEPHAN KOSCH