: Eigenes Haus häufig mit Radon belastet
Das in Wohnräumen vorkommende Edelgas Radon ist laut einer neuen Studie die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs – nach dem Rauchen. Gesundheitsexperten raten: Zumindest in einigen Gebieten die eigenen vier Wände besser abdichten
AUS MÜNCHENJÖRG SCHALLENBERG
„Das ist ein vergessenes Risiko“, fasst Wolfgang Weiss zusammen, – und fügt hinzu: „Leider.“ Denn es handelt sich nicht um eine kleine Gefahr, die der Abteilungsleiter beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gestern mit einer Reihe beeindruckender Zahlen untermauert hat: Das radioaktive Gas Radon ist die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs in der EU. Das belegen Daten von 13 Kontrolluntersuchungen aus neun Ländern, die nun im Auftrag der Europäischen Kommission zusammengefasst wurden.
Eine zu hohe Konzentration von Radon in Räumen verursacht pro Jahr etwa 20.000 Todesfälle durch Lungenkrebs innerhalb der EU – 3.000 davon allein in Deutschland. An der radioaktiven Kontaminierung sind dabei laut Weiss weder Kernkraftanlagen noch Industrieabfälle schuld, sondern fast ausschließlich die geologische Beschaffenheit des Bodens. Denn Radon entsteht beim Zerfall von Uran, das sich im Prinzip fast überall im Gestein findet – nur in sehr unterschiedlicher Konzentration.
So sind in Deutschland Gebiete wie etwa die norddeutsche Tiefebene so gut wie gar nicht belastet, während in eher bergigen Regionen von Sachsen und Thüringen, Franken oder Oberbayern zum Teil eine Radonkonzentration von mehreren hundert Becquerel pro Kubikmeter Bodenluft gemessen wurde. In Bereichen mit besonderen geologischen Voraussetzungen, beispielsweise Bergbaugebieten, liegt die Konzentration sogar noch um ein Vielfaches höher.
Dabei stellt das Vorkommen, wie Wolfgang Weiss erklärte, noch keine besondere Gefährdung dar – die entsteht dann, wenn das Radon durch nicht ausreichend abgedichtete Fundamente in Häuser eindringt und sich dort sammeln kann. Selbst häufiges Lüften hilft nur bedingt, weil das Radon stets hereinströmt. Laut der neuen Studie aber steigt das Lungenkrebsrisiko um 20 Prozent an, wenn man Räume bewohnt, in denen eine Radonkonzentration von 100 bis 200 Becquerel pro Kubikmeter herrscht – im Vergleich zu Personen, deren Zimmer einen Wert von unter 100 Becquerel pro Kubikmeter aufweisen.
Einen besonders krassen Fall stellt das österreichische Alpendorf Umhausen dar, in dem viermal so viele Einwohner an Lungenkrebs starben als im europäischen Durchschnitt. Bei Messungen der Universität Innsbruck stellte sich heraus, dass die Radonkonzentration zum Teil um mehr als das Tausendfache höher lag als in wenig belasteten Gebieten. Schuld war offenbar eine Verwerfung im Gebirge.
Die in der Öffentlichkeit bislang kaum diskutierte Bedrohung hat für eine Gesetzesinitiative im Bundesumweltministerium gesorgt. Das Baurecht soll so geändert werden, dass bei Neubauten ein Grenzwert von 100 Becquerel pro Kubikmeter eingehalten wird. Bislang liegt der von der EU empfohlene Wert doppelt so hoch. Wolfgang Weiss vom BfS legt aber Hausbesitzern in Gebieten mit hohem Radonvorkommen nahe, ihre Gebäude so zu sanieren, dass das Gas nicht eindringen kann.