: Und wohin jetzt?
„Max und Murx“ im Moks: Ein Roadmovie frei nach Wilhelm Busch. Lustig wie Tarantino, brutal wie die Zeitung. Genial gemacht
Die Spuckelachen zwischen ihren baumelnden Beinen werden größer, schließlich wissen Max und Murx gerade nicht so recht, wohin mit sich. Bis ihnen einfällt: Tiere vergiften ist lustig. Was ihre literarischen Vorgänger ja auch fanden. Statt einiger strangulierter Hühner gibt es in „Max und Murx“ aber eine komplette Großmarkt-Abteilung mit krepierten Viechern.
150 Jahre nach Wilhelm Busch hat der jugendliche Experimentierdrang eben andere Dimensionen. Dem Lehrer Böck den Brückensteg ansägen? Witwe Boltes Braten aus dem Kamin angeln? Autorin Paula Fünfeck, von Haus aus Mezzosopranistin, die seit sechs Jahren als Stückeschreiberin unter anderem mit der „Fressoper für kleine Kinder“ von sich reden macht, ist um Actionmaterial für ihre Helden nicht verlegen. Max und Murx nutzen die Verwundbarkeit der modernen Technik: Ein Stein von der Autobahnbrücke ist ein nervender Lehrer weniger.
Die jetzt vom Moks-Ensemble unter der Regie von Klaus Schumacher gespielte Max und Moritz-Adaption geht in die Vollen. Wobei von Buschs dörflichem Mühlenszenario immerhin das Weiß bleibt: In lässige Sommeranzüge gewandet ziehen die beiden Miami Vice-mäßig ihre persönliche Terrorspur.
Das verstummende Piepen in der Karstadt-Heimtierabteilung schreit schließlich nach neuen Taten. Also plündern sie, völlig stoned von Drogen, die sie eigentlich dem aufdringlichen Sozialarbeiter einflößen wollten, den Aral-Shop. Stürzt sich der berauschte Sozi eben erst später aus dem Fenster. Das Stück ist lustig, so wie man sich ja auch bei Tarantinos Filmen bestens amüsieren kann, und heftig brutal. Was Max und Murx (Konradin Kunze, Martin Wolf) in ihrem Fragment-Jargon mit viel Tempo und Präzision schildern, kann von den Zuschauern mühelos in einen realitätsgenährten Parallelfilm übersetzt werden. So entsteht Erzähltheater im besten Sinn – bei dem einem spätestens dann schlecht wird, wenn die Kampfhunde den Obdachlosen zerfleischen. Wo endet die Aktionsspirale? In Erfurt. Nur dass der Amoklauf des „Zonenarsch“ in Sachen Opfermenge noch mal übertrumpft werden soll. Wird er auch. In einer treffend reduzierten Massaker-Choreografie.
Max und Wurz geben wirklich alles, um Spuren zu hinterlassen. Zwischendurch aber setzen sich die beiden an den Flügel, um vierhändig gefühlvolle Klänge zu produzieren – eine formale Variante zum Busch‘schen „Dieses war der vierte Streich, und der nächste ...“. Silke Schumacher-Langes genial-sterile Bühne lässt ihnen aber auch wenig Chancen, Bleibendes zu hinterlassen. Die Bilanz: Außer ein paar Rotz-, Kotz- und Blutspritzern – nichts gewesen.
Ganz wie bei Busch enden die beiden durch Selbstjustiz. Nicht als Schrot in der Mühle, aber eingesperrt auf die Rückbank eines Autos, dass Kurs auf einen Steilhang nimmt. Kurz vorher gab’s noch die Erkenntnis: „Wenn dich keiner will, Alter, haste ’n Problem.“ Henning Bleyl
Für alle ab 14 Jahren. Infos und Karten: ☎ (0421) 3653 333. Am Wochenende kann man „Max und Murx“ (Sa und So jeweils um 20.45 Uhr) auch in Kombination mit „Trüffelschweine“, der zweitjüngsten moks-Produktion, die sich auf ganz andere Art mit dem Gewaltthema beschäftigt, sehen. Beginn: Jeweils 19 Uhr