: Schüler sterben aus – und streiken vorher noch
Bremens Schülerzahlen sinken. Deshalb sollen zwei Schulzentren in Osterholz nun zusammengelegt werden. Doch das eine Schulzentrum will nicht. Deshalb haben Schüler und Eltern gestern gemeinsam gestreikt
Bremen taz ■ Gestern morgen um 7.30 Uhr mögen manche Autofahrer im Berufsverkehr in Osterholz nicht schlecht gestaunt haben. Eine Lichterkette, rund um das Schulzentrum an der Graubündener Straße – war da was? Terror, Krieg, ein Anschlag auf ein Asylantenheim?
Nichts dergleichen: Die Schüler des Schulzentrums an der Graubündener Straße streikten und kämpften für den Erhalt ihrer Schule. Denn nach dem Willen von Schulsenator Willi Lemke (SPD) soll das Schulzentrum aufgelöst werden. Genauso wie das benachbarte Schulzentrum Im Ellener Feld. Dann soll ein neues Schulzentrum entstehen – und zwar im Gebäude des letzteren, im Ellener Feld. Das Zentrum an der Graubündener Straße hingegen würde geschlossen. Wobei Schließung ja eigentlich das falsche Wort ist: Geht es doch nur um eine „Gebäudeverlagerung“, so der offizielle Sprachgebrauch.
Der Grund für die Fusion der beiden Zentren liegt in der drastisch sinkenden Schülerzahl im Stadtteil Osterholz, erläutert Lemke-Sprecher Rainer Gausepohl. „In diesem Schuljahr haben wir 2.682 Schüler in der Sekundarstufe I in Osterholz. Nach unserer Prognose werden es im Jahr 2013 nur noch gut 2.000 Schüler sein.“ Deshalb müssten die beiden Schulzentren fusionieren zu einem Schulzentrum, das dann um die tausend Schüler von der fünften bis zur zehnten Klasse besuchen würden.
Eine Mammutschule, pädagogisch untragbar, wettern daraufhin einhellig Schüler, Eltern und Lehrer des Schulzentrums an der Graubündener Straße. „Was wir aufgebaut haben in den letzten Jahren, soll nun zerstört werden – das ist katastrophal“, sagt etwa Heide Marie Voigt, die am Schulzentrum an der Graubündener Straße Deutsch, Kunst und Philosophie unterrichtet. „Viele aus unserem Kollegium überlegen sich jetzt, ob sie überhaupt mit in das neue Schulzentrum umziehen sollen.“ Schülersprecher Anis Meziou ergänzt: „Das Schulzentrum liegt zentral in Osterholz. Warum sollen wir die Gebäude hier verlassen?“
Doch könnte eine größere Schule auch Vorteile bieten, wie Christina Löllmann, noch amtierende Leiterin des Schulzentrums Im Ellener Feld meint. Mehr Wahlpflichtfächer zum Beispiel, mehr Arbeitsgruppen, ein größeres Profil. „Mit so einem Schulzentrum wäre auch der Stadtteil Osterholz an sich gestärkt“, sagt Löllmann.
Die Beteiligten an der Graubündener Straße fühlen sich aber vor allem von der Politik überrollt. Als die Eltern von Viertklässlern Ende 2004 ihre Kinder am Schulzentrum an der Graubündener Straße anmelden wollten, ging das plötzlich nicht mehr. „Da hat man einfach Fakten geschaffen und die Betroffenen hinters Licht geführt“, sagt Michael Mork vom Bremer Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Erst jetzt würde diskutiert – dabei sollen die fünften Klassen schon ab dem nächsten Schuljahr zusammen gelegt werden.
Doch wenn sich schon die geplante Fusion in Osterholz nicht abwenden lässt, so hofft Mork, dann soll sie wenigstens ein Einzelfall bleiben. Denn wenn auch in anderen Bremer Vierteln die Schülerzahl so rapide sinkt, dann gäbe es ja immer noch andere Lösungen: die Klassen kleiner zu machen, zum Beispiel. Das wären dann ganz neue Wege in der Bremer Schulpolitik.
Florian Neuhann