: berliner szenen Der Flipper ist ein Mensch
Wir dachten: „respect!“
Als wir in die Kneipe kamen, standen schon drei junge Türken an unserem Flipper. So setzten wir uns an einen Tisch, tranken Bier, rauchten Flipperfit, beobachteten ihre Spielkunst und füllten die Zwischenräume mit Worten. Als sie fertig waren, spielten wir, während sie am Tisch saßen, sich auf Türkisch unterhielten, Cola tranken und was rauchten. Wir akzeptierten einander, ohne miteinander zu reden. Während ich flipperte, dachte ich, dass ich diesen Flipper eigentlich erst seit ein, zwei Monaten wirklich gut kenne, obgleich wir schon seit mehr als einem Jahr miteinander spielen.
Haruki Murakami hatte in seinem zweiten Roman „Pinball 1972“ sehr gut die Beziehung, die man zur Maschine entwickelt, beschrieben. Der Flipper ist ja etwas Persönliches, fast wie ein Mensch. Man bemüht sich, respektvoll mit ihm umzugehen und akzeptiert es, wenn er mal einen schlechten Tag hat, denn das gehört dazu wie die guten Tage, die’s ja auch gibt. Nur unter dem Druck, ein verantwortungsvoller Lehrer sein zu müssen, hatte sich Murakami später von seinem frühen Roman distanziert.
Dann machten wir Pause. Während wir uns ausruhten, ging einer der türkischen Jungs zum Flipper, warf zwei Euro ein, sagte „tschüss“ und ging dann mit seinen Freunden. Verwundert scannten wir unsere Erinnerungen: Das war der Türke gewesen, der zwei Monate zuvor in bester Absicht zu Freund M. gegangen war, um ihm die Hand zu geben, als der gerade dabei gewesen war, das Spiel seines Lebens zu machen, was dazu geführt hatte, dass die Kugel verloren gegangen war. Und die zwei Euro, die er für uns in den Automaten gesteckt hatte, waren seine angemessen lässige Entschuldigung gewesen. Wir dachten: „respect!“.
DETLEF KUHLBRODT