: Frischhalte-Kurs für Chinas Kommunisten
Partei- und Staatschef Hu Jintao konsolidiert seine Machtstellung mit einer doktrinären Erziehungskampagne und dem schnellen Generationswechsel in Führungsetagen. Vertraute seines Vorgängers Jiang Zemin verlieren an Einfluss
PEKING taz ■ Anfrage mal wieder zwecklos. „Bei uns läuft gerade die Frischhalte-Kampagne“, erklärt die Referentin im Umweltministerium. „Da muss der Minister an vielen Sitzungen teilnehmen.“ Im Pekinger Partei- und Regierungsapparat sind derzeit die Leute unter Zeitdruck.
Die Kampagne bedeutet zusätzliche Arbeitsstunden für 68 Millionen Parteimitglieder. „Die 18-monatige Erziehungskampagne soll Parteimitgliedern helfen, ihre Integrität und ihre reinen Gedanken zu bewahren“, ließ die KP-Führung zum Jahresbeginn verkünden. Seitdem müssen besonders die höheren Kader nachsitzen, um die neuesten Einsichten der Partei über die Gefahren der Korruption und die neue Komplexität sozialer Beziehungen zu studieren. Das Motto: „Die Fortschrittlichkeit der Partei erhalten“, abgekürzt auf Chinesisch „baoxian“. Das klingt so wie „Frischhalten“, weshalb sich viele Kader scherzhaft beschweren, man wickele sie beim Parteiunterricht mit Frischhaltefolie ein.
Jenseits altbewährter Indoktrination aber hat die Kampagne eine simple Erklärung: Sie soll dem Parteivolk eine neue machtpolitische Ära signalisieren. „Frischhalten“ steht für den seit 2002 amtierenden Partei- und Staatschef Hu Jintao. Bisher hatten die Kader nur „die Theorie der drei Repräsentationen“ lernen müssen, ein politisches vages Ideenkonstrukt von Hus Vorgänger Jiang Zemin. Davor wurde von der Deng-Xiaoping-Theorie gesprochen. Jetzt will Hu beweisen, dass er schon nach zwei Amtsjahren die Ideen der Partei neu formen kann.
Möglich ist das, weil die Theorie der drei Repräsentationen unbeliebt und für viele unverständlich war. Unklar ist jedoch, von welcher Fortschrittlichkeit Hu die Partei überzeugen will. Nach außen dringt bisher nur maßlose Selbstverherrlichung, in denen sich die Partei die Erfolge der vergangenen fünfzig Jahre alle selbst zuschreibt. Dabei ist es zu früh, Hus langfristige Reformabsichten zu beurteilen. Viele sehen die Jahre bis zum ersten von Hu selbst verantworteten Parteikongress 2007 als Zeit der Machtkonsolidation. Erst danach könne Hu den Kurs maßgeblich bestimmen. Zuvor aber müsse er seine Hausaufgaben erfolgreich erledigen. Dazu gehöre eine Erziehungskampagne und die Neubesetzung der wichtigsten Parteiämter.
Doch scheint Hu mit seinen Aufgaben inzwischen weit fortgeschritten. Denn neben der neuen Erziehungskampagne läuft seit wenigen Wochen der größte personelle Umbau seit Jahren. Auf allen wichtigen Führungsebenen von Städten, Provinzen und Zentralregierung rücken derzeit 40- bis 50-Jährige auf und ersetzen 50- bis 60-Jährige, die ihre Ämter Vorgänger Jiang verdankten. Bis zu 300 Spitzenfunktionäre sollen so in den kommenden Monaten abgelöst werden. Dabei wird immer deutlicher, dass Hu in der Lage ist, ihm folgsame Kader durchzusetzen. Beispiele sind der für Pekings Olympische Spiele wichtige neue Sportminister Liu Peng und der neue Parteichef der Provinz Liaoning, Li Keqiang.
Beide waren an Hus Seite im Jugendverband aktiv. Wie überhaupt die meisten neuen Amtsträger aus dem Jugendverband kommen, den Hu lange führte. Damit drängt sich schon jetzt eine Neubewertung der Machtverhältnisse im höchsten Parteigremium, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros, auf. Bisher galt hier nur Premierminister Wen Jiabao als Hu-Vertrauter, weitere sechs von insgesamt neun Mitglieder folgten Jiang Zemin, eines dem Expremier Li Peng. Der Einfluss der Älteren aber schwindet.
„Frischhalte“-Kampagne und Personalwechsel deuten darauf hin, dass Hu bereits heute eine stabile Mehrheit im Ausschuss hinter sich hat. Der Machtwechsel von Jiang zu Hu wäre damit abgeschlossen. GEORG BLUME