: Kein „Gesinnungsstrafrecht“
PROZESS Zwei Aktivisten gegen das Hotel im Schanzenpark wegen versuchter Nötigung zu geringen Geldstrafen verurteilt. Ermittlungsmethoden offenbar zweifelhaft
VON MAGDA SCHNEIDER
Das Urteil ist eine Überraschung: Nach zehn Verhandlungstagen sind die beiden AktivistInnen gegen das Mövenpick-Hotel im Schanzenpark-Wasserturm, Claudia F. und Jörg M., wegen versuchter Nötigung zu 15 und 25 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt worden. Damit blieb Amtsrichter Andree Peters deutlich unter dem Strafmaß, das Staatsanwalt Michael Elsner gefordert hatte: Dieser hatte das Zehnfache verlangt.
Strafbar haben sich F. und M. in den Augen des Richters dennoch gemacht, indem sie Ende 2005 Bekennerbriefe verfasst und verbreitet haben sollen, in denen es um Sachbeschädigungen bei Firmen ging, die am Bau des umstrittenen Hotels beteiligt waren.
Den zweiten Vorwurf – „Beihilfe zur Sachbeschädigung“ – sah Richter Peters als „spekulativ“ und nicht bewiesen an: Da die Täter unbekannt seien, könne auch nicht belegt werden, dass die Angeklagten Kontakt zu ihnen hatten. Eine „psychische Beihilfe“ zu unterstellen, so Peters, wäre „Gesinnungsstrafrecht“. Indes hatte der Richter „keine Zweifel an der geistigen Urheberschaft“ von F. und M., und auch die Beweiserhebung sei korrekt verlaufen.
Das sahen die Verteidiger Andreas Beuth und Marc Meyer erwartungsgemäß ganz anders. Sie forderten in ihren Plädoyers Freispruch, so dass der Komplex wohl in die zweite Instanz gehen dürfte. Laut Verteidigung hätte dieses Verfahren gar nicht stattfinden dürfen: F. und M. seien über eine „rechtswidrige Beweiserhebung“ des Staatsschutzes vor den Kadi gebracht worden. In der Tat war M. heimlich von einer Videokamera in einem Internet-Café gefilmt worden, aus dem am 26. 10. 2005 eine Bekenner-E-Mail an die Hamburger Morgenpost gesandt worden war – Thema: eine Sachbeschädigung bei einer Kernbohrfirma. Diese illegalen Aufnahmen bildeten die Basis aller Ermittlungen gegen F. und M., – dabei hätte das Video nach einem Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts einem „Verwertungsverbot“ unterlegen. „Man sollte die Entscheidung kennen, wenn man Recht sprechen will“, sagte Anwalt Beuth an Richter Peters gewandt. Wenn das Hamburger Landgericht bereits in einem Kaffee-Laden Videoaufnahmen ohne Hinweisschilder als rechtswidrig bezeichne, komme in einem Internet-Café ein Eingriff in das Post- und Briefgeheimnis dazu, so Beuth. Peter befinde sich „im eklatanten Widerspruch zur Hamburger Rechtssprechung“, sagte Verteidiger Meyer.
Auch die wochenlange Observation zahlreicher Aktivisten der so genannten „Wasserturm-Ini“, die mit „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ begründet worden war und die nach dem Versand einer weiteren E-Mail zur vorläufigen Festnahme von M. geführt hatte, stehe auf tönernen Füßen, so die Verteidigung: M. hatte aus einem Internet-Café eine Mail über zerstochene Reifen an 13 Betonmischern an Medien verschickt. Für seinen Anwalt Andreas Beuth ist das nichts Strafbares. „Wer lediglich einen Zettel abtippt und veröffentlicht, begeht keine Nötigung.“ Dann nämlich müssten auch Zeitungen belangt werden, die über solche Aktionen berichteten, so Beuth. Zudem habe die Mail keine Drohung enthalten.
Auch Meyer zeigte Unverständnis darüber, weshalb seine Mandantin F. den Prozess mitmachen musste: Alle Schriftgutachten hätten belegt, dass handschriftliche Ergänzungen auf einem von M. abgetippten Schreiben nicht von F. stammten.